2022

Review Gaerea – Mirage

  • Label: Season Of Mist
  • Veröffentlicht: 2022
  • Spielart: Black Metal

Der Begriff Katharsis wird im Metal fast schon inflationär genutzt. Nahezu jedes Sub-Genre hat diverse Bands, Alben oder Songs, die die psychologische oder spirituelle Reinigung im Namen tragen. So sehr die Theorie der Katharsis mittlerweile überkommen ist, so passend beschreibt der Begriff doch die Erlebnisse und Gefühle, die beim Hören von Musik entstehen können. Die Quintessenz dessen, was kathartischer Metal wirklich bedeutet, destillieren seit einigen Jahren die anonymen Portugiesen von GAEREA, die mit ihren ersten beiden Alben „Unsettling Whispers“ und „Limbo“ bereits für einiges Aufsehen gesorgt haben. Das Quintett entfesselt nun mit „Mirage“ einen reinigenden, alles verzehrenden Sturm, der wohl keinen Hörer unberührt lassen dürfte.

GAEREA gehen dabei ihren Weg konsequent weiter und haben ihren Sound auf „Mirage“ nur insofern verändert, als die Songs kürzer und damit direkter geworden sind. Auch halten vermehrt optimistische Melodien Einzug in die einzelnen Stücke. Diese Entwicklungen machen das Drittwerk aber weder mainstreamig noch zu einem fröhlichen Melodic-Metal-Album. Vielmehr verstehen es GAEREA meisterhaft, ihre melancholische, verzweifelte Musik durch eingestreute Melodiebögen kurz aufzulockern, nur um sie dann in einen noch tieferen Abgrund zu stürzen. Sehr gut zu hören ist diese Dynamik etwa beim genialen Eröffnungstrio „Memoir“, „Salve“ und „Deluge“. „Salve“ etwa ist zu großen Teilen pure Aggression, rohe Energie, der immer wieder kleine Nadelstiche bittersüßer Hoffnung versetzt werden. „Deluge“ wiederum steigert sich über eine verzweifelte emotionale Schwere in einen triumphalen Höhepunkt, der wie das Licht am Ende des Tunnels scheint, und was der namenlose Drummer in „Memoir“ mit den Becken anstellt, grenzt schon fast an Genialität.

Bereits nach einem Drittel von „Mirage“ zeigt sich, weshalb GAEREA vollkommen zu Recht gehypt werden: Man kann den Sound der Truppe wahrhaftig fühlen. Kein Okkultismus-Firlefanz, keine schamanistischen Rituale, keine verkopfte Auseinandersetzung mit Philosophie oder Literatur, GAEREA zelebrieren pure Emotionen. Man höre nur die brodelnden Riffs in „Arson“, die ungezügelte Aggression im Titeltrack oder die intensive Nutzung von Tremolo bei „Ebb“. Ihren bisher besten Song liefern GAEREA aber mit dem die Standard-Edition abschließenden „Laude“ ab. Über Intensität und Dynamik wurde bereits ausführlich gesprochen und doch schafft es „Laude“ diese beiden Attribute der Musik des Quintetts noch einmal zu steigern. Hinzu kommt eine getragene Melodie und natürlich die charakteristischen, getriebenen Vocals des Frontmanns, der auf „Mirage“ durchgehend eine herausragende Performance liefert. Spätestens nach dieser Nummer fühlt man sich als Hörer tatsächlich so, als habe man einen reinigenden emotionalen Feuersturm hinter sich.

GAEREA legen mit „Mirage“ ihr bisheriges Meisterwerk vor. Die Brillanz des Songwritings, die Balance zwischen purer Verzweiflung und hoffnungsvollen Momenten, die schiere Wucht des Sounds suchen aktuell ihresgleichen. Erinnerungen an Meilensteine wie „Aokigahara“ von Harakiri For The Sky oder „Arete“ von Netherbird werden wach und tatsächlich reiht sich „Mirage“ perfekt in die Reihe dieser großartigen Alben ein. Kathartischer wird Metal in nächster Zeit wohl nicht mehr werden.

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Wertung: 10 / 10

Publiziert am von Juan Esteban

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