Post-Rock oder auch –Metal ist ein Genre mit theoretisch unbegrenzten kreativen Entfaltungsmöglichkeiten, eine gewisse Atmosphäre und Grundstimmung vorausgesetzt. Und so sprießen täglich neue Bands aus dem Boden und bei weitem nicht alle sind mit einem Alleinstellungsmerkmal gesegnet – und gehen somit wieder in der Masse unter. Intronaut – die Hauptband von Gitarrist, Sänger und FUTURE-USSES-Chef Sacha Dunable – hatten dieses Problem nie, im Gegenteil: die Fusion aus Jazz, Metal, progressiven Elementen und sowohl melodischen als auch gegrowlten Vocals hat einen hohen Wiedererkennungswert und bleibt auch nach mehrmaligen Hören spannend. Das liegt natürlich auch am charakteristischen Gitarrenspiel von Dunable und so hat „The Existential Haunting“, gerade in den ruhigeren Passagen, etwas Vertrautes. Aber es gibt ohne Frage mehr als genug Unterschiede zu Intronaut, die die Existenz von FUTURE USSES rechtfertigen.
„Vorsprung durch Technik“ muss sich Dunable gedacht haben und tauschte kurzerhand Gesangsmikrofon gegen Loop-Pedal und Sampler ein. In diesem Fall kein schlechter Deal, denn der Facettenreichtum an Klängen, die er den kleinen elektronischen Helfern entlockt, ist beachtlich. Gitarrenseitig ist zunächst erwähnenswert, dass das Fehlen eines zweiten Sechssaiters nicht auffällt: Dunable layert auf „The Existential Haunting“ über Minuten hinweg neue Gitarrenparts übereinander: Von fragilen Licks über spacige, effektbeladene Leads und Soli bis zu vollverzerrten Brettern ist alles dabei. Als ob er damit nicht schon genug beschäftigt wäre, feuert der gute Mann noch regelmäßig unterschiedlichste Sounds synthetischen Ursprungs ab (erinnert sich noch jemand an die chorartige Fläche im Jesu-Track „Heart Ache“ vom gleichnamigen Debüt?). Oder sind das etwa auch Gitarren?
Gleich der Opener „What Is Anything“ ist eine echte Perle: die effektbeladenen Gitarren- und Synthesizerparts (letztere, beinahe Steeldrum-artige Klänge wecken bisweilen fast fernöstliche Assoziationen) bauen durch verschiedene, geloopte Layer weiter aufeinander auf – bis ein tonnenschweres, doomiges Riff dem psychedelischen Treiben ein Ende setzt. Somit ist die Bandbreite und weitere Marschrichtung vorgegeben und „The Existential Haunting“ offenbart in den folgenden 30 Minuten ein tolles Wechselspiel aus verspielten, auch mal jazzig anmutenden Gitarren, spacigen Effekt- und sogar Vocoder-Sounds („Make Flowers“), melancholischen Flächenklängen und klassisch fetten Post-Metal- bzw. Doom-Passagen. Der Titeltrack erinnert dann wieder an besagte Hauptband von Sacha Dunable und kommt zu Anfang ziemlich jazzig daher, um in ein ausschweifendes, mehrstimmiges Gitarrensolo zu münden. Die Rhythmusgruppe, bestehend aus einem permanent angezerrten Bass und natürlich Drums, sorgt dabei jederzeit für das notwendige, groovende Fundament – Converge-Gitarrist Kurt Ballou hat hier ein weiteres Mal einen hervorragenden Job am Mischpult gemacht. Die kühle Soundästhetik der Produktion erinnert dabei häufig an Jesu-Platten wie „Heart Ache“, „Silver“ oder Justin K. Broadricks Lose-Blatt-Sammlung „Pale Sketches“.
FUTURE USSES‘ Debüt entpuppt sich als äußerst spannende Überraschung im Post-Metal-Einheitsbrei. Denjenigen, die bereits erwähnte Jesu-Longplayer oder auch die verspielten, experimentelleren Songs der Tiny Fingers mögen, sei „The Existential Haunting“ wärmstens ans Herz gelegt – aber auch alle anderen Freunde der stimmungsvollen Instrumentalmusik sind eingeladen, mal ein Ohr zu riskieren.
Wertung: 8.5 / 10