Es gibt Bands, an denen führt kein Weg vorbei. Und es gibt Bands, welchen man entweder zuföllig begegnet, oder man tut es eben nicht. Die Norweger FUNERAL sind so ein Fall. Die Jungs spielen auch schon seit 21 Jahren zusammen, landen mit „Oratorium“ aber dennoch zum ersten mal auf meinem Tisch.
Die mit 75 Minuten doch sehr vollgepackte Platte lässt sich stilistisch einigermaßen gut mit den britischen Kollegen My Dying Bride vergleichen. Soll heißen: Melodischer Doom Metal, der überwiegend mit klarem Gesang auskommt und sich sich über weite Strecken doch nur sehr gemächlich vortastet. Eine weitere Parallele stellt die Verwendung von Kirchenorgeln, Keyboardwänden und dem ein oder anderen klassischen Instrument zur Untermalung dar, ohne diesen Elementen dabei aber jemals eine wirklich tragende Rolle zuzugestehen. FUNERAL gehen dabei gerade gesanglich sehr verkünstelt zu Werke, zwischen tiefem Sprechgesang und hohen, klagenden, bisweilen mehrstimmigen Vocals ist quasi alles vertreten, was man sich wünschen kann (oder sich auch nicht wünscht). Denn im Gegensatz zu den Doom-Meistern von der Insel hat man deutliche Probleme mit dem Sinn für das wohlplatzierte Wort. So sind die Texte häufig nicht auf die Musik zugeschnitten, stattdessen wird unabhängig von dieser einfach so lange möglichst bedeutungsschwanger geredet oder gesungen, bis eben alles gesagt ist. Das funktioniert häufig mehr schlecht als recht, oft wirkt es regelrecht irritierend.
Doch, obwohl Genre-Hardliner wohl sagen würden, dieser Kritikpunkt wäre genauso passend, wie Sprechgesang am Hip Hop zu bemängeln: Das eigentliche Problem von „Oratorium“ ist, dass in seinen 75 Minuten Laufzeit einfach zu wenig passiert. Das ist relativ schade, weil die Atmosphäre, die FUNERAL durch exzellenten Einsatz von Orgel und Bläsern aufbauen, in einzelnen Momenten sehr intensiv werden kann. Hier wirkt die Musik wirklich erhaben und majestätisch, auch die vielschichtigen, getragenen Chor-Gesänge tragen einen großen Teil zur Stimmung bei und selbst in Sachen Gitarrensoli hat man einige sehr nette Passagen am Start. Leider kombiniert man diese relativ große Menge an grundsätzlichen tollen Einfällen einerseits nie konsequent zu einem spannenden Song, andererseits fehlt dem Sound auch grundsätzlich die Essenz aus fetten Gitarren und ebensolchem Bass, die der Musik ein wenig Drive verleihen könnte. Das ganze außenherum, das vielen anderen Bands in diesem Sektor schmerzlich abgeht, ist hier spektakulär, der Kern der Musik weiß aber nie so recht, wo er hin will. Was FUNERAL in bisweilen sehr kunstvoller Manier aussagen wollen, bleibt ein Rätsel.
„Oratorium“ ist trotz sicher gutem Willen und einer relativ großen Detailverliebtheit leider doch nicht so gut geworden, wie es den Anschein hat. Hätte man sich eine halbe Stunde Material gespart und dafür etwas griffigere Songs geschrieben, die dann vielleicht auch mal einen Spannungsbogen gehabt hätten, wäre die Scheibe ein ganzes Eck besser weggekommen. Schade, aus so vielen guten Einfällen hätte man wirklich viel mehr (oder eben weniger) machen können.
Wertung: 6 / 10