Review Foscor – Les Irreals Visions

Katalonien – für all jene, die geographisch nicht bewandert sind – ist ein Gebiet im Osten Spaniens an der Grenze zu Frankreich. Aus diesem Teil der Iberischen Halbinsel stammen die Dark-Metaller FOSCOR, die mit „Les Irreals Visions“ ihr mittlerweile fünftes Album in die Welt hinausschicken. So wie die Katalanen sich schon lange von Spanien zu lösen versuchen, scheint sich auch besagte Band, die sich thematisch vom Fin de Siècle und den gesellschaftlichen Umbrüchen am Ende des 19. Jahrhunderts inspiriert sieht, von ihrer schwarzmetallischen Vergangenheit abwenden zu wollen. Das gelingt ihnen tendenziell besser als ihren Landsleuten die angestrebte Sezession, dennoch merkt man FOSCOR ihren Ursprung immer noch deutlich an.

Um es gleich vorwegzunehmen: Die avantgardistische Herangehensweise, der sich FOSCOR inzwischen verschrieben haben, ist sehr zu begrüßen. Anstatt Musik nach einem abgegriffenen Muster auf dem Fließband zu produzieren, hat sich das Trio durch den Schritt weg vom üblichen Black Metal eine eigene Identität erschaffen. Die Texte sind nun nicht mehr in gebrochenem Englisch, sondern in der Landessprache verfasst, und vorgetragen werden sie nicht länger in genretypischem Schreigesang. Stattdessen lullen FOSCOR den bedächtig lauschenden Hörer nun (im positiven Sinne!) mit geisterhaftem, hallendem Klargesang ein, lediglich in „Espectres Al Cau“ wird kurz bösartig gegrowlt.
An Finsternis hat der Sound der Katalanen dennoch nichts verloren, eher das Gegenteil ist der Fall. Die farblose, vernebelte und trostlose Atmosphäre, die das äußerst gelungene Artwork prägt, hält gerade durch die schaurig spukenden Gesänge („Ciutat Tràgica“) Einzug in die Songs von FOSCOR. Dass „Les Irreals Visions“ seiner Kategorisierung als Dark Metal und die Band ihrem Namen, der sich mit „Dunkelheit“ übersetzen lässt, wortwörtlich gerecht werden, ist jedoch mindestens in gleichem Maße der Instrumentalisierung zu verdanken. Hoffnungslose Riffs, Leads und Soli, ein tief grollender Bass und variables, schlagkräftiges (Gast-)Drumming, das durchaus auch mal zur Blast-Beat-Naturgewalt anschwillt („Instants“), gemahnen merklich an die Ursprünge von FOSCOR, ohne dabei zu sehr im Gestern zu schwelgen.
Demgegenüber sind es jedoch gerade die nicht zu rar gesäten, ruhigeren Clean-Passagen oder auch die kleinen, stimmigen Besonderheiten wie das melancholische Piano zum Schluss von „Ciutat Tràgica“, die der Platte zu ihrer bedrückenden, atmosphärischen Dichte verhelfen. Selbiges lässt sich über das geradezu perfekt sitzende Soundgewand sagen, in das „Les Irreals Visions“ gekleidet ist – der Sound ist kraftvoll, aber doch sphärisch und lässt jedem Instrument den ihm zugedachten Raum.

Bis auf ein paar der genannten Tracks sowie das teils überraschend rockige „Altars“ haben FOSCOR keine wirklichen Hits geschrieben. Doch das macht überhaupt nichts, denn ihr fünfter Langspieler ist eines dieser Alben, die so etwas gar nicht nötig haben. Man mag nicht alle Songs auf Anhieb im Kopf behalten, das beklemmende Gefühl, das sie einem vermitteln, lässt einen jedoch so schnell nicht los. Qualitative Ausfälle haben sich FOSCOR praktisch keine erlaubt, die gesamte Dreiviertelstunde, die die Düstermetaller uns mit ihren Visionen heimsuchen, ist von vorne bis hinten ein spannendes Erlebnis. Für wen Grabesstimmung auch ohne wüstes Gebrüll und Geprügel geht, der sollte hier unbedingt zugreifen.

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Wertung: 8 / 10

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