Dezember 2024

Review Forndom – Moþir

Eines muss man sich (auch und gerade als Metal-Fan) absolut bewusst machen: Jede Musik, hatte einst eine ganz und gar ursprüngliche Form. Hinsichtlich des Metal-Genres dürfte das die Klassik gewesen sein. Sie galt und gilt als eine wichtige Definition von Schönheit und Brachialität. Heute, zu einer Zeit der Übersättigung, zu Zeiten völligen Überangebotes, scheint uns der Bezug zu den elementarsten Dingen des Lebens und eben dieser Schönheit verloren gegangen.

Aus irgendeinem Grund, konnten sich die Skandinavier, abseits ihrer kommerziell stärksten Zugpferde in der (Metal-)Musik, diesen wilden und reinen Geist behalten. Menschen wie Ludvig Swärd mit seinem Projekt FORNDOM sind es, die sich aufs Tiefste darauf verstehen, den folkloristischen Tonus ihrer (hier spirituellen) Geschichte wieder und wieder einzufangen. Mit „Moþir“ stellt Swärd gerade etwas über ein Jahr nach „Alster“ nun dessen Nachfolger vor. FORNDOM kann im gröbsten dem Nordic Ritual Folk zugeordnet werden, aber – und das ist mehr als wichtig – wer jetzt an Heilung und Konsorten denkt, irrt sich.

Schon das eröffnende „Tunridor“ (frei übersetzt: „Zaunreiter“, im Kontext „Zaunreiterin“) ist mit seiner ungeheuren Düsternis der erste (im Grunde einzig nötige) Beweis, um zwischen den Hampel-Paganisten Heilung und FORNDOM eine Trennlinie zu ziehen. Die Kombination aus nordischen Instrumenten wie der Tagelharpa und Orchester kulminiert zu einem Song, der sich anfühlt wie ein drohender Schatten, der aus dem Wald ins Tal hinabsteigt. Passend, da doch der Protagonist die Tunrida (im nordischen eine Hexe oder ein Dämon) mithilfe der Götter zu vertreiben versucht. Die beschwörenden Gesänge, die von einem „batushkaesken“ Chor unterstützt werden, erzeugen vor dem von Streichern dominierten Finale dieses ersten Songs absolute Gänsehaut.

„Urd“ treibt mit seinen nordischen Pauken unermüdlich voran und erzählt im majestätisch anmutenden Refrain von der Gegenwärtigkeit des Todes. Der Song wirkt durch seine flächigen Arrangements aber nicht drängend düster, als eher befriedend und angstfrei. Die Näverlur, eine Holztrompete wie sie in der schwedischen Kultur verwendet wird, eröffnet das trauernde „Moderstårar“ (deutsch: Tränen der Mutter) vergleichsweise introvertiert und entwickelt sich im Verlauf zu etwas, dass nicht wenig an Game Of Thrones zu erinnern vermag.

Das Instrumental „Rán“ entführt mit sanften Percussions in Melodien voller Verlust, aber auch Schönheit. Ganz grundsätzlich muss auch anerkannt werden: Ludvig Swärd benötigt keine überlangen Aufbauten für seine Songs. Er inszeniert seine Stücke sehr nachvollziehbar, fast schon eingängig, wie der Schlusstrack „Den kärlek som vi gav“ eindrucksvoll belegt. Der Abschlusstitel stellt einen wundervollen Epilog dar. Gegenüber den bedrohlichen Atmosphären eines „Tunridor“ ist er fast erlösend und dürfte jedem Freund von Original Soundtracks eine Träne aus dem Knopfloch treiben. Einerseits heldenhaft anmutend, wirken die Melodien im Refrain in ihrer Erhabenheit wie ein Abschied ohne Reue. So wie die Schatten Vergangenheit sind, vergeht auch das Licht irgendwann.

FORNDOM klingen wie eine angenehme Melange aus Wardruna, Nhor, Peter Bjärgö, October Falls während ihrer Neofolk-Phase und Ramin Djawadi. Soll heißen, jeder Fan atmosphärischer Klänge abseits aller metallischer Härte sollte hier unbedingt ein Ohr riskieren. „Moþir“ steckt voller Schwere und Anmut. Tiefe Melancholie trifft auf friedvolle Erhabenheit. Trotz allem, die neue Veröffentlichung von FORDOM ist ein absolutes Stimmungsalbum, welches eher den Herbst und den Winter intoniert, als das auferstehende Leben der hellen Jahreszeit zu feiern.  Daher benötigt es Zeit und den richtigen Rahmen, um vollends genossen zu werden. Damit geht auch einher, dass es nicht zu jeder Zeit gut ins Ohr geht – oder gehen muss. Musik für den schnelllebigen Hörgenuss wird hier nicht geboten. Den Rezensenten jedenfalls, haben die sieben Titel zurück in seine Kindheit geführt, als der Nebel über dem Tal lag und die Luft nach Holz, nassem Laub und Kohle roch. Eine schöne Erinnerung.

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Wertung: 8 / 10

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