Review Flake – Flake feiert Weihnachten

Alle Jahre wieder ist Weihnachten. Und alle Jahre wieder fühlen sich Musikschaffende davon dazu verleitet, die (ihrer Meinung nach) passende musikalische Untermalung fürs Fest abzuliefern. Das Liedgut solcher Weihnachtsalben ist naturgemäß ziemlich konstant, die Variablen sind: Interpret und Darbietung.

Beim Interpreten fangen in diesem Fall die Probleme schon an: Zwar war der Missbrauchsskandal bei Rammstein vornehmlich auf deren Sänger Till Lindemann fokussiert – doch auch Aussagen von Keyboarder Flake zu Sex mit alkoholisierten Fans warfen Fragen auf, die wie so vieles unbeantwortet blieben. Von der moralischen Bankrotterklärung in Form der demonstrativ zur Schau gestellten Solidarität der Band mit Lindemann ganz abgesehen. Dass Flake nun meint, ausgerechnet Weihnachtslieder aufnehmen zu müssen, statt sich einfach mit seinen Millionen ins Private zurückzuziehen, ist ein weiterer Beweis der Ignoranz dieser Männer.

Das gilt leider ebenso – wenn nicht noch mehr – für die Freunde und Kollegen, die Flake bei diesem Projekt unterstützen: Insbesondere Farin Urlaub sorgte mit seinem Mitwirken nach den K.-o.-Tropfen-Witzen auf der Bühne abermals für Unverständnis im Die-Ärzte-Fanlager. Dabei könnte dessen Version von „Süßer die Glocken nie klingen“ mit politischen O-Tönen aus der Wendezeit als „Vocals“ noch am ehesten als Kunst interpretiert werden. Aber auch von Robert Gwisdek alias Käptn Peng, Stumpen (Knorkator) oder Doro Pesch hätte man sich eigentlich mehr erhofft: mehr Courage, eine solche Feature-Anfrage (Freundschaft hin oder her) auch einfach mal abzulehnen – aber auch mehr Geschmack.

Während Doro und Lindemann-Buddy Joey Kelly („Fairytale Of New York“), sowie Stumpen („Tausend Sterne sind ein Dom“) zumindest Profis genug sind, um ernstzunehmende Lieder abzuliefern, wäre die spontan aufgenommene Blödelvariante von „Last Christmas“ auf Berlinerisch („Letzte Weihnacht“) von Icke & Er allenfalls etwas für ein Comedy-Programm. Die von Micha Rhein (In Extremo) gesungene Version von „Es ist ein Ros entsprungen“ klingt genauso ungeplant – allerdings eher nach Onkel Michaels spontaner Musik-Einlage (inkl. Mundharmonika-Solo!) zum Familienfest, die selbst die atheistische Jugend am Tisch zu Stoßgebeten verleitet, während der Vater „ganz dringend“ mal nach dem Entenbraten schauen muss.

Und doch wäre ein ganzes Weihnachtsalbum des In-Ex-Frontmanns vermutlich noch erträglicher als „Flake feiert Weihnachten“. Die Songs, für die der Initiator dieses unsäglichen Projektes alleine verantwortlich zeichnet, spotten nämlich jeder Beschreibung: Objektiv gesehen massakriert hier ein mittelmäßiger Klavierspieler (Pianist wäre wirklich ein zu großes Wort) und unterdurchschnittlicher Sänger mit grauenhafter englischer Aussprache die schlimmsten No-Brainer der Vorweihnachtszeit: Ist John Lennons und Yoko Onos „Happy Xmas (War Is Over)“ als Opener zumindest ungewöhnlich (in der Umsetzung allerdings bereits eine unmissverständliche Warnung vor dem, was folgt), werden „Ihr Kinderlein, kommet“, „Alle Jahre wieder“ und ganz besonders „Feliz Navidad“ selbst für den gläubigsten Christen zur Prüfung: Angesichts der hier zu erleidenden Qualen kann man sich eigentlich nur wünschen, Schwangerschaftsabbruch wäre in Bethlehem zumindest bei unbefleckter Empfängnis ein gangbarer Weg gewesen.

Dass es ein Flake mit diesem Projekt nicht zu einem Rock- oder Metal-Label geschafft hat, sagt alles – an moralischen Bedenken dürfte es dort nämlich nicht gescheitert sein. Aber so viel Schnee, um Potenzial in diesem Album entdecken zu können, rieselt wohl nur (noch) in der Dance-Musik-Branche, wo Kontor Records zu Hause sind – zumal mit diesem Release kein Geld zu verdienen ist. Denn die Gewinne aus “Flake feiert Weihnachten” sollen zu 100 % der Arche gespendet werden, einem Verein für Kinder aus benachteiligten Verhältnissen.

Das zumindest ist ein guter Ansatz – wer sich und anderen zur Weihnachtszeit aber wirklich Gutes tun will, spendet lieber direkt. Damit landet auch der gesamte Betrag (und nicht nur der Gewinn nach Abzügen unbekannter Höhe) bei den Kindern – man spart sich damit gleich noch wertvolle Zeit für gute Musik.

> Informationen zum Kinderprojekt Arche
> Direkt spenden (ganz ohne Musik!)

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Mehr, und teilweise sogar empfehlenswerte Weihnachtsalben findet ihr in unserem Special „Rockin’ around the Christmas Tree“:

Rockin‘ Around The Christmas Tree

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16 Kommentare zu “Flake – Flake feiert Weihnachten

  1. ….ich finde die Scheibe schön schräg….Erinnere mich gern an die Wurzeln, will sagen Feeling B….
    Danke Flake, kein Hörgenuss für komerzielle T- Shirtkäufer….aber allemal etwas für Leute die schräge Töne mögen !!! …viele Grüße Nappy

  2. Aber meinerseits abschliessend: Ich will dich ja gar nicht unter den Tisch diskutieren und schon gar nicht dieses überaus ’seltsame‘ Machwerk auf einen Thron heben. Aber bei 0 denke ich genauso wie bei 10: C’mon: Bleiben wir doch mal sachlich.

  3. Man sollte persönliche Abneigung nicht zum Gratmesser einer Renzension machen. Damit disqualifiziert man sich selbst als ernstzunehmend. 0 Punkte ist genauso ungerechtfertigt wie die 10 Punkte die ihm seine Jünger hier zuraunen. Aber die Treue der Rammstein-Groupies hat ja ohnehin etwas sektenartiges und erinnert an die Onkelz der späten 80er. Dennoch. 3/10 sollte man geben. 0 ist ein persönliches Ding.

    1. Ne, 0/10 ist Ratlosigkeit. Ich finde an dem Album keinen Aspekt, dem ich auch nur einen Punkt geben könnte. Es ist nichts daran hörenswert. Der Gesang ist schrecklich, das Klavierspiel ein Witz, die Features lächerlich, die Songauswahl vorhersehbar, das Cover belanglos. Das Resultat unter keinen Umständen zu empfehlen. Es gibt keine einzige Gelegenheit, bei der ich irgendwem einen einzigen Song dieser CD empfehlen könnte, nicht einmal als Party-Playlist-Gag. Wie also wären 3 Punkte zu rechtfertigen?

      1. Die Rezension ist tausendfach sachlicher als das was du vorher gesagt hast ‚Moral, Moral, Moral’… ‚Und dann war da ja noch was mit Rammstein, wo sich die Band moralisch verwerflich verhalten hat’… ‚Und dass sich Doro dafür hergibt’… ‚Und ein Mitglied von In Extremo’…Damit versuchst du (ohne dir Boshaftigkeit zu unterstellen) unabhängig vom Thema, um das es eigentlich geht, integre Persönlichkeiten zu misskreditieren und in einen Sumpf zu ziehen, der eigentlich Rammstein ‚gebührt‘. Finde ich nicht gut. Weil es etwas von Voreingenommenheit hat, die diese Musiker scheinbar nicht haben. Ich bin kein Verteidiger von Rammstein, ich sehe da durchaus auch Dinge, wo ich mich frage, ob da nicht die finanziellen Möglichkeiten über Recht gesiegt haben. Aber irgendwie mieft die gesamte Rezension eher nach einer persönlichen Abrechnung. Da war deine Gegenreaktion auf meine Antwort für mich deutlich annehmbarer. Nichts für ungut.

        1. Na dann nimm den Kommentar doch als Ergänzung, wennschon ich schon finde, dass a) alles das auch im eigentlichen Text zu finden war (beispielsweise, dass man von Doro mehr Geschmack erwartet hätte, als sich – rein musikalisch – für diesen Mist herzugeben), als auch b) ebenjene Einordnung absolut relevant ist, um das Album einordnen und entsprechend rezipieren zu können. Im Übrigen bin ich mit dieser Ansicht ja längst nicht allein, wenn sich Farin Urlaub sogar in recht zerknirschten Statement an seine Fans gewendet hat, die ihm das Mitwirken an diesem Machwerk durchaus übel genommen haben.

          1. Ja, der Mainstream-Punk gibt sich ja gerne mal zerknirscht wenn man ihm Dinge nachträgt. (Farin Urlaub). Nur manche sind halt gleicher als gleich in der öffentlichen Wahrnehmung.

  4. Ich finds richtig richtig gut, auch den Kurzfilm dazu – aus meiner Sicht ist das eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem Weihnachtsfest der heutigen Zeit, dabei ist es mir völlig egal, wie gut Flake Piano spielen (sehr gut) oder singen (weniger gut) kann. Die Message kommt an. Er sieht oft verzweifelt und angewidert aus… Zum Glück gibt es Zuversicht und Hoffnung.
    Flake hier als Künstler abzuwerten wegen der Behauptung einer im Jahre 2002 17 Jahre alt gewesenen jungen Frau, die nicht weiss, was passiert ist, weil sie wohl bewusstlos war und Flake dies anlastet – hm, aus meiner Sicht ist das zuviel Meinung bei zu wenig Wissen und damit auch zuviel Erheben mittels Moralkeule über die Beteiligten des Projektes – den gestandenen, klugen, erfolgreichen und kreativen Menschen, die sich ihres eigenen Verstandes bedienen und loyal sind.
    Ich bin leider überhaupt nicht der Meinung des Verfassers.
    Da ich an Kommentare zu Kommentaren nicht interessiert bin, verabschiede ich mich von dieser Seite und wünsche den Lesern eine angenehme und harmonische Adventszeit.

  5. Ob man Flake nun mag oder auch nicht, das Album ist wirklich mit das Schlimmste, was ich so hören durfte. Volle Zustimmung für die Rezension. Das ist musikalisch unglaublich schlecht, peinlich, überflüssig und überhaupt nicht lustig. Was ist nur mit den Leuten los.

  6. Sie gehen mit Sicherheit zum Lachen in den Keller. Wenn sie Rammstein nicht mögen, dann ist das ihr Problem. Mir zaubert das Album ein Lächeln ins Gesicht. Ach noch was: sie wissen nicht was Humor ist, oder?

  7. Herr Grütz,

    Ihre Aversion gegen den Musiker Flake trieft aus jeder Zeile Ihres Textes, in dem Sie wenig bis kaum auf Inhalte eingehen, viel Kontaktschuld zu bemühen versuchen und keinen Raum für Unschuldsvermutungen lassen. „Alkoholisierte Fans“ (und Musiker) gehen natürlich gar nicht, insbesondere nicht in der Metal-Szene. Danke für Ihren wertvollen Kommentar,

    Ihr Hans Heidenreich

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