Cinematic Post-Rock – so bezeichnet Andreas Hack, Mastermind hinter FEELING OF PRESENCE, die Musik auf dem Debüt „Of Lost Illusion“. In Progrock-Kreisen hat er sich in den letzten Jahren mit seiner Band Frequency Drift einen Namen gemacht. Leider wird es von Frequency Drift keine neue Musik mehr geben. Aber alle, die Gefallen daran gefunden haben, sollten hier definitiv reinhören. Denn auch wenn FEELING OF PRESENCE als Soloprojekt angelegt ist, lässt sich die Verwandtschaft zu Frequency Drift durchaus erkennen – und das nicht nur, weil mit Nerissa Schwarz und Wolfgang Ostermann zwei alte Bandmitglieder als Gäste mitwirken.
Die größte Gemeinsamkeit ist der charakteristische Einsatz der E-Harfe und der Hang zu atmosphärischen, oft düsteren Klanglandschaften; der größte Unterschied hingegen, dass „Of Lost Illusion“ gänzlich ohne Gesang auskommt. Und während Frequency Drift recht eindeutig dem Prog – ob nun folkloristisch oder spacig – zugeordnet werden konnten, klingt FEELING OF PRESENCE in der Grundstimmung eher post-rockig. Dabei bedienen die sechs Songs jedoch selten Post-Rock-Klischees und lassen sich nicht ins enge Genre-Korsett pressen.
Ohne Frage, das Wort Kopfkino ist überreizt, aber auf „Of Lost Illusion“ trifft es uneingeschränkt zu. Die Lieder wirken wie kurze Momentaufnahmen, flüchtige Gedankenblitze, kleine Geschichten. Sie geben den Rahmen vor, überlassen es aber den Hörerinnen und Hörern, sie mit eigenen Assoziationen und Gefühlen zu füllen.
Ausgerechnet beim Opener „A Weird Form Of Darkness“ gelingt das am wenigsten. Mit über acht Minuten Spielzeit ist er zugleich die längste Nummer des Albums, macht den Einstieg aber nicht leicht. Die Hauptmelodie ist zwar einprägsam, aber nicht stark genug, um den Track für mehr als sechs Minuten zu tragen und die Spannung aufrecht zu erhalten. In den letzten zwei Minuten ändert sich die Stimmung komplett und schwenkt in Richtung Dark Ambient um. Das wiederum ist überraschend und gelungen.
Die fünf weiteren Tracks gehen deutlich leichter ins Ohr und überzeugen durchweg: „Room Number 105“ reißt von Beginn an durch dynamische Schlagzeugarbeit, tolle Pianomelodien und dichte Atmosphäre mit. Hier geht das Songwriting voll auf. „Of Lost Illusion“ betört mit wunderbaren Violinenklängen und zeigt, welch unbändige Kraft in wenigen, effektvoll eingesetzten Gitarrenausbrüchen stecken kann. In „Fluorescent Detail“ flirtet FEELING OF PRESENCE mit elektronischen Synthies und Beats – das wirkt wie eine moderne Version des Sounds der Berliner Schule. Dieser Part ist stark, aber zu schnell vorbei und hätte noch spannend weiterentwickelt werden können. Gerne mehr davon! Von allen hier versammelten Stücken erinnert dann das ruhige „Hollow Innocence“ am ehesten an Post-Rock aus dem Lehrbuch, was ihn nicht weniger hörenswert macht. Der Abschlusstrack „Venus Transit“ überrascht mit einem dystopischen, klaustrophobisch-chaotischen Ende.
Mit nur 38 Minuten Spielzeit ist der Erstling von FEELING OF PRESENCE leider recht kurz ausgefallen, hat aber genau die richtige Länge, um sich immer wieder auf dieses exzellente Kopfkino einzulassen. Eine musikalische Reise, mit prägnantem Schlagzeugspiel und einem durch und durch eigenen, charakteristischen Sound. Post-Rock mal anders – sehr empfehlenswert!
Wertung: 8 / 10