Die Hannoveraner FAIR WARNING haben mit „Sundancer“ ein neues Album am Start, immerhin schon das siebte. Moment, Hannover? Da kommt doch noch eine andere Hard-Rock-Band her – und siehe da: Damit erschöpft sich die Ähnlichkeit mit den Scorpions noch nicht, denn für beide gilt, dass sie im Ausland erfolgreicher sind als im Inland. Das gilt für die Scorpions weltweit und für FAIR WARNING immerhin für Japan. Da dafür so richtig, wie jeder sehen kann, der die Facebook-Seite der Band aufruft – Livebilder von vollen japanischen Hallen gibt es dort zuhauf. Und ehe man anfängt, sich darüber lustig zu machen, muss man der Fairness halber fragen: warum eigentlich? Fehlt ihnen etwas, was andere Hard-Rock-Bands haben, die auch in Europa abräumen?
Nein, eigentlich nicht. Das Line-up ist nicht überraschend, aber funktional: Gitarre, Bass, Schlagzeug, fertig. Ab und an wird die Band von ein paar Synthesizer-Spuren unterstützt. Das eigentlich Pfund, mit dem gewuchert werden darf, ist aber Sänger Tommy Heart – der hat eine Stimme, mit der man einfach Hard-Rock-Sänger werden muss. Entsprechend spielen, singen und solieren FAIR WARNING sich auf „Sundancer“ souverän durch 14 Songs mit einer Gesamtlänge von etwas über 60 Minuten – und unterhalten den geneigten Genrefan vorzüglich.
Es gibt wunderbare Kracher in bester Tradition des Stadion Rocks, wie „Troubled Love“, „Man In The Mirror“ oder „Touch My Soul“. Etwas ruhigere Halbballaden („Send Me A Dream“), die schon mal genretypisch kitschiger werden, dabei aber nicht aus dem Ruder laufen, ergänzen die Palette. Die Texte sind zwar alles andere als kreativ, nehmen aber immerhin nicht jedes Klischee mit, das auf dem Weg liegt. Ganz selten merkt man, dass Tommy Heart kein Native Speaker ist. Aber geschenkt, das gilt für viele deutsche Bands. Alles in allem stehen auf „Sundancer“ einige Songs, die sich qualitativ nicht hinter den Referenzbands des Genres verstecken müssen und mit denen eine Band wie Gotthard immerhin auch in Europa Stadien füllt. Ich bin mir sicher, schummelten die Eidgenossen ihren Shows unangekündigt ein Cover eines Liedes von FAIR WARNING unter, es fiele kaum auf.
Also alles in Ordnung? Der mangelnde inländische Erfolg nur eine Unhöflichkeit der Geschichte? Na ja. Vielleicht liegt es an der Konventionalität. FAIR WARNING begeben sich nicht eine Minute aus der eigenen Komfortzone. Sicher ist es das, was die Fans hören wollen. Aber von Experimentierfreude oder ein paar neuen Ideen fehlt jede Spur. Das ist bei dem insgesamt äußerst soliden Material keine Katastrophe, aber manche Songs sind doch arg vorhersehbar geraten, wie „Get Real“ oder auch „Natural High“. Das alles ist nett anzuhören, aber die eben genanten Tracks (und einige weitere) bleiben dem Hörer kaum im Kopf haften und entfalten keine Langzeitwirkung. Wegen der allgemein hohen Qualität gibt es dennoch eine klare Empfehlung für die Fans des Genres, wohingegen alle anderen vermutlich auf „Sundancer“ verzichten können.
Wertung: 7.5 / 10