Review Explosions In The Sky – All Of A Sudden I Miss Everyone

Die Musik von EXPLOSIONS IN THE SKY mit gewöhnlichen Worten zu beschreiben ist kaum möglich. Die Texaner selber verwenden keinerlei Lyrics in ihren Songs und so wünscht man es sich als Rezensent, es ihnen gleich tun zu können. Nun ja, das geht nicht, weshalb ich versuche meine Eindrücke von ihren aktuellen Album „All Of A Sudden You Miss Everyone“ wiederzugeben. Die Titel sind gewohnt bedeutungsschwanger und trotzdem zu jeder Zeit für den Hörer selbst interpretierbar.

Die Reise durch eine knappe dreiviertel Stunde Klangwelten beginnt mit „The Birth And Death Of The Day“ und erstaunlich verzerrten Gitarren. Tatsächlich schafft man es, einen musikalischen Sonnenaufgang an meine Projektionsfläche im Kopf zu zaubern, wie man es schöner und eindrucksvoller nicht für möglich gehalten hätte, ehe mit pulsierenden Bass und Schlagzeug, sowie einer sanft einsetzenden Melodie, langsam Leben einkehrt. Glitzernder Tau, die ersten Strahlen Sonnenlicht durch ein Büschel von Gräsern und die frische Luft scheinen greifbar nahe zu sein, ehe zur Mitte hin der Song pulsiert. Er pulsiert nicht nur, er schreit, er tanzt, er hüpft, ohne in einem Meer aus Glitzer und Kitsch zu versinken. Der für die Verhältnisse der Band schon sehr laute Einsatz von Gitarrenriffs und Schlagzeug überrascht, weckt auf und ja, die Erde lebt! Es sind diese faszinierende Symbiose aus einfachster Instrumentierung, die meterhohe Soundwände aufzutürmen vermag, die trotzdem federleicht erscheinen. Wie der Titel und die eigene Logik erwarten kommt es auch zum „death of the day“, der ruhig, besonnen, also langsam entschlafend von statten geht. Alles wirkt friedlich und von der Hektik des Tages ist nur wenig zu spüren. Alleine der Opener, der nahtlos in „Welcome, Ghosts“ übergeht, überzeugt vollkommen und lässt keine Zweifel daran, dass EXPLOSIONS IN THE SKY ihre ganze Energie und Inspiration in diesen wundervollen 43 Minuten konzentriert haben.

Im Vergleich zum Vorgänger „The Earth Is Not A Cold Dead Place“ erscheint „All Of A Sudden You Miss Everyone“ fast schon aggressiv und laut, aber auch unheimlich erfrischend und spritzig – immer innerhalb der Maßstäbe der Band natürlich. Mir persönlich gefällt, dass man den ureigenen Stil nur Schritt für Schritt in winzigen Nuancen weiterentwickelt und perfektioniert. Die Unterschiede zu den Vorgängern sind nicht groß, aber trotzdem deutlich spürbar. Es kommt vor allem darauf an die vielen Zwischentöne zu hören mit denen die Jungs scheinbar spielen. Während die ersten beiden Songs noch fröhlich Klangen, so schleicht sich bei „It’s Natural To Be Afraid“ sowohl Melancholie, als auch etwas Bedrohliches ein, das nach einem guten Drittel aber langsam mit einer hoffnungsvollen Melodie erhellt wird. Es ist wie zwischen zwei Menschen, die sich gegenseitig anlächeln, sich sanft an den Wangen berühren und so ihre Sorgen vergessen. Ein Gefühl von Nähe und Verbundenheit, welches komplett ohne Worte ausgedrückt werden kann. In einer solchen Situation bedarf es genauso wie bei dieser Art von Musik keiner Worte, da alleine durch die Atmosphäre und das ganz spezielle Gefühl alles gesagt ist. Wieder ein Drittel ist vorüber und erneut scheint der Song zu „tanzen“. Kritiker mögen EXPLOSIONS IN THE SKY vorwerfen das Spiel von Crescendo und Decrescendo, Accelerando und Ritardando zu übertreiben. In der Tat benutzen sie diese Mittel immer und immer wieder, jedoch nie gleich und perfektionieren es. Es ist aber weit mehr als „laut“ und „leise“, „schnell“ und „langsam“, denn der Reiz liegt in den Zwischentönen, denn alle Songs sind trotzdem verschieden. So dominiert bei „What Do You Go Home To?“ überraschender Weise das Klavier, wirkt auf eine angenehme Weise minimalistisch. Einziger winziger Wehrmutstropfen bleibt für mich „Catastrophe And The Cure“, das irgendwie zwar eine Schnittmenge durch das gesamte Album darstellt und trotzdem oder vielleicht gerade deshalb der Reiz des Besonderen fehlt. Das hingegen hat das abschließende, mit nicht einmal vier Minuten sehr kurze, „So Long, Lonesome“. Es ist eine Art Epilog auf ein aufgeschlagenes Buch voller Farben, Eindrücke und Empfindungen, die es erst einmal gilt zu verarbeiten. „So Long, Lonesome“ beruhigt ein wenig, ohne die Spannung dieses Werkes zu verlieren.

Wie die Geschichte weitergeht, wissen wohl nur die Amerikaner selbst. „The Earth Is Not A Cold Dead Place“ war in meinen Augen nicht mehr zu übertreffen, wobei ich mir die Frage stelle ob man die einzelnen Alben untereinander Vergleichen sollte, da sie jedes für sich ein Kunstwerk sind. EXPLOSIONS IN THE SKY sind noch ein kleines Stück mehr gereift und trotzdem gefällt mir persönlich der Vorgänger ein winziges Stückchen besser. „All Of A Sudden I Miss Everyone“ ist erneut ein herausragendes Stück im diffusen Feld des Post-Rocks, der auch mich in seinen Bann gezogen hat. Wer nun Interesse bekommen hat, der sollte keine Hemmungen haben auch einmal in „unbekannte Gewässer“ abzudriften und sich auf diese Art von Musik einzulassen. Es lohnt sich.

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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