Das Cover von "Toxic Grace" von Evildead

Review Evildead – Toxic Grace

  • Label: Steamhammer
  • Veröffentlicht: 2024
  • Spielart: Thrash Metal

Auf ihrem Comeback-Werk „United States Of Anarchy“ propagierten die Thrash-Metal-Veteranen EVILDEAD mitunter recht krude Ansichten zum Thema Demokratie und Mainstream-Medien. Vier Jahre und eine potenziell tödliche Pandemie später scheint die Unzufriedenheit der Truppe mit „denen da oben“ eine neue Dimension angenommen zu haben, denn das Cover von „Toxic Grace“ ist voll von verschwörungserzählerischen Codes: Ein Mann mit Schafskopf und Gasmaske konsumiert auf Fernseher und Laptop stilisierte Versionen von CNN, während eine Kameradrohne spitzbübisch durchs Fenster lugt, um zu kontrollieren, ob dieses Schlafschaf auch wirklich der im TV ausgegebenen Anweisung „Obey. Wear Your Mask. Question Nothing. Stay Home.“ nachkommt. Hätte man dieses Bild in einem rechten 4chan-Forum gepostet, die Proud Boys hätten vermutlich kollektiv abgespritzt.

Abgesehen vom abschließenden „Fear Porn“, in dem EVILDEAD auf so ziemlich jeden rechten Aufreger von der Biden-Administration über „Wokeness“ bis hin zu den – mittlerweile abgeschafften – Corona-Schutzmaßnahmen anspringen, beschränkt sich das Trump-treue Gemotze jenseits des Artworks von „Toxic Grace“ allerdings auf ein erträgliches Maß. Klar, mit Textzeilen wie „buyers remorse from the last election“ („Stupid On Parade“) oder „the subjugated souls from generation Z never leave their homes – never see the streets“ („Subjugated Souls“) gibt es auch anderswo Seitenhiebe in alle Richtungen, aber sei’s drum. Erstens darf man zugunsten der Musiker einen Abstand zwischen Künstler und Werk annehmen und zweitens herrscht Meinungsfreiheit – wenngleich ironischerweise ausgerechnet diese Band das Gegenteil behauptet.

Musikalisch fällt „Toxic Grace“ erfreulicherweise etwas frischer und weniger zäh aus als sein Vorgänger. Natürlich setzen EVILDEAD nach wie vor weniger auf rabiate Geschwindigkeit als auf tonnenschweren Groove, was aber durchaus seinen Charme hat. Songs wie „F.A.F.O.“, „Reverie“ oder „Raising Fresh Hell“ können durchweg überzeugen, wobei vor allem die schiebenden Riffs sofort in den Taktfuß fahren. Die Songs sind dabei um einiges simpler gestrickt als bei den meisten Genre-Kollegen, allerdings wirken sie insgesamt deutlich energetischer als das Material von vier Jahren zuvor. Ausgerechnet das inhaltlich etwas dümmliche „Subjugated Souls“ ist dabei dank unerwarteter Vielschichtigkeit einer der besten Songs der Platte und auch die Death-Angel-Vibes von „Bathe In Fire“ sind ein echtes Highlight.

Die musikalische Frischzellenkur, der sich EVILDEAD anscheinend unterzogen haben, macht sich auch in technischer Hinsicht bemerkbar: Wirklich ausgefuchste Gitarrensoli sind bei den Kaliforniern auf „Toxic Grace“ zwar immer noch nicht die Regel, kommen hier aber entschieden öfter vor als auf „United States Of Anarchy“ – einmal mehr eignet sich „Reverie“ als gutes Beispiel. Auch der Sound der Platte trägt zu diesem Eindruck bei, denn wo das vorige Album pappig und etwas kraftlos klang, kommt „Toxic Grace“ schneidend und klar aus den Boxen. Insgesamt haben sich EVILDEAD mit ihrem zweiten Album nach Reunion also in (fast) jeder Hinsicht verbessert.

Nach wie vor gilt: EVILDEAD ihre Berechtigung abzusprechen wäre vermessen – sämtliche derzeit aktiven Bandmitgliedern sind seit mindestens 35 Jahren dabei und auch ihr kreativer Output kann weitestgehend mit ihren beiden Album von 1989 und ’91 mithalten. So auch „Toxic Grace“, das zwar kein revolutionäres, aber doch immerhin ein authentisches Thrash-Metal-Album voller infektiös groovender Riffs geworden ist. Über die bisweilen reichlich verschrobenen Ansichten, welche die Truppe in ihren Texten verbreitet, kann man durchaus hinwegsehen. Es ist aber auch okay, sich daran zu stören und insgesamt wäre es wohl am schönsten, wenn EVILDEAD das Geschwurbel künftig im Proberaum ließen.

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Wertung: 7 / 10

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6 Kommentare zu “Evildead – Toxic Grace

  1. Die Konzeption des (extremen) metal war immer ein Gegenentwurf zum Programm derer „da oben“ und vor allem zum popkulturellen mainstream. Dass jetzt moralinsaure,selbstgefällige und selbstverständlich autoritätshörige Tugendwächter-Rezensenten mit erhobenem Zeigefinger über deren demokratisches Verständnis im metal schwadronieren, spricht Bände hinsichtlich des pervertierten „Zeitgeists“.

    1. Zu behaupten, die Wahl wäre gestohlen worden und das Coronavirus sei eine Erfindung „der Eliten“, um „die Massen“ zu kontrollieren, ist in meiner Wahrnehmung schon ein bisschen was anderes als ein „Gegenentwurf zum popkulturellen Mainstream“. Dass ich mir von Dir eine Reihe an reichlich unangemessenenen Beleidigungen bieten lassen muss, obwohl ich meine Kritik an der vermeintlichen politischen Einstellung der Band sogar an mehreren Stellen relativiert habe, spricht hoffentlich nicht Bände hinsichtlich des Zeitgeists im Allgemeinen, aber doch zumindest Deine Diskursfähigkeit betreffend. Dennoch, danke fürs Lesen und fürs Feedback.

    2. Das ist derselbe Bullsh*t, den man neben der Metal- auch aus Teilen der (zumindest amerikanischen) Punk-Szene hört. Da ist man gegen verordnete/empfohlene Maßnahmen, die auf wissenschaftlichen, evidenzbasierten Grundlagen beruhen, weil das kommt ja von denen da oben und man ist ja anti-Establishment. Deshalb folgt man dann auch den rechtsextremen Gegennarrativen autoritärer (!) Clowns, weil man ist ja auch anti-autoritär (!!). Das ist nicht nur oberflächlich, sondern auch intellektuell faul. Und auch wenn man mit diesen Attributen in der Metal-Szene gut aufgehoben sein mag: Dass man sich damit zugleich absolut hirnfrittierten Schwurblern anbiedert, hat sicherlich nichts mit den ursprünglichen Werten und Konzeptionen der Szene zu tun. Tatsächlich sind es Evildead, die sich mit diesen Texten am rechtspopulistischen Zeitgeist ausrichten, und so was beim Namen zu nennen, ist nicht tugendhaft, sondern das, was guten Musikjournalismus ausmacht.

      1. Vielleicht haben EVILDEAD ja ein Interview verdient um sich dazu zu äußern anstatt als ,,Kenner der Szene “ das Wort für sie zu ergreifen und die in irgendwelche Ecken zu verbannen.
        Heutzutage ist Man(n) und auch Frau schon rechts oder rechtsextrem oder rechtswasauchimmer wenn ein nein oder ein hinterfragen geäußert wird.
        Irre .

        1. Das ist – mit Verlaub – Unsinn. Heutzutage ist man (Mann, Frau, divers) rechts oder rechtsextrem, wenn man rechte oder rechtsextreme Scheiße von sich gibt (und das hat meist übrigens eben genau nichts mit „hinterfragen“ zu tun, sondern, wie Markus schön ausgeführt hat, ziemlich unhinterfragtem und plumpem Nachplappern von Verschwörungsmythen).
          Diese Band tut das hier augenscheinlich (ich habe mich damit nicht befasst) und damit hat sie eigentlich nicht einmal ein Review hier verdient. Geschweige denn ein Interview, indem derartiger Unsinn nochmal breitgetreten wird.

        2. Moin Jens,

          zunächst mal danke, dass Du Dich in einem vernünftigen Tonfall zur Sache äußerst – so kann man sich unterhalten. Mir ist hier wichtig, darauf hinzweisen, dass EVILDEAD im Review nicht als rechtsextrem bezeichnet wurden. Ich habe darauf hingewiesen, dass sie zu Themen wie u. a. Corona und Präsidentschaftswahl in ihren Texten Sichtweisen vertreten, die man in den USA (und anderswo) aus dem rechten Lager kennt und die dort in Übersee schon auf derart fruchtbaren Boden gefallen sind, dass es zu Gewalt und Tod kam. Letzteres ist in meinem Text nur implizit und natürlich habe ich auch ein wenig polemisiert.

          Ich habe allerdings auch geschrieben, dass man über diese Inhalte durchaus hinwegsehen kann und ich habe einen Abstand zwischen Künstler und Werk (quasi zwischen Autor und Erzähler) als möglich angenommen. Wo genau Du da eine Verbannung in „irgendeine Ecke“ siehst, ist mir nicht ganz erkenntlich. Ich habe das Album – zwangsläufig subjektiv – beurteilt und mich an diesem Aspekt gestört.

          Mit Deiner Aussage, man werde ja für simples „Hinterfragen“ als rechtsextrem abgestempelt, bin ich allerdings überhaupt nicht einverstanden. Vielmehr ist „hinterfragen“ aus meiner Sicht zu einem rechten Kampfbegriff geworden, mit dem eigentlich die – tatsächlich hinterfragenden – „Mainstream Medien“ verächtlich gemacht werden sollen. Die „hinterfragen“ nämlich oft Motive (und Geldquellen) der Rechten und entlarven sie entsprechend, was denen logischerweise gar nicht gefällt.

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