Im Hard Rock-Genre gibt es zwei Arten von Musikern. Die Einen haben eingesehen, dass die Zeit von Kopftüchern und zu engen Jeans schon längst vorbei ist und gehen mit einer großen Portion Ironie und Leichtigkeit ans Werk, die sie oft in die nähe von Sleaze- und Glam-Rock-Bands bringt. Die andere Sorte hält unbeirrbar an der Tradition fest und ist nicht bereit anzuerkennen, dass man sich im Jahre 2007 befindet. Wenige Bands dieser Gruppe schaffen es jedoch mit ihrer Musik in der Gegenwart anzukommen, der Rest scheitert und wird ungewollt zur gleichen Lachnummer wie Gruppe 1 und versucht dem zu entgehen, indem sie sich immer weiter in ihre Welt flüchtet und damit den Effekt nur noch weiter verstärkt. Zu den Gruppen die es schaffen auch heute noch ernste Rockmusik zu schreiben, gehört sicherlich allen voran Axel Rudi Pell. Mit EVIDENCE ONE etabliert sich nun aber langsam eine Band, die sich aufmacht am Altherren-Thron zu kratzen.
„The Sky Is The Limit“ ist dabei nicht nur Titel der dritten Scheibe sondern auch ehrgeiziges Konzept der Gruppe um Carsten „Lizzard“ Schulz, dessen Anteil daran nicht gerade gering ist. Nach dem er kürzlich den Dienst bei der ewigen Drittliga-Mannschaft Domain gekündigt hat, schafft er mit EVIDENCE ONE nach nur drei Saisons den Aufstieg in die Bundesliga. Was bei Domain nicht geklappt hat – lag vielleicht an der penetranten Selbstüberschätzung eines Herrn „Pudelfrisur-Ironfinger“ – funktioniert bei EVIDENCE ONE perfekt: Die raue Stimme von Mr. Schulz verleiht den Stücken die nötige Tiefe und Ernsthaftigkeit, während die Gitarrenfraktion mit eingängigen Melodiechen und leichten Riffs eine Mischung kreiert, die einfach aufgeht. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass die Band nicht wie in diesem Genre üblich ziemlich geradlinig vorgeht, sondern sich immer wieder unerwartete zeigt, wie bspw. beim etwas sperrigen aber umso interessanteren Refrain von „The Luxury Of Losing Hope“. Dass es aber auch sehr eingängig geht, machen sie sogleich mit dem Opener und Namensgeber des Albums klar. Hier wird in gewohnter Strophe-Refrain-Strophe Manier erstmal aufgezeigt wo die Band steht und somit ein recht guter Einstieg und Eindruck geschaffen, der allerdings durch treibende Stücke wie das nachfolgende „Mr. Madness“ problemlos noch übertroffen wird.
Doch EVIDENCE ONE wären keine Hard Rocker wenn sie nicht auch die ein oder andere Ballade im Gepäck hätten. Was sich oft als Knackpunkt erweist, gehört hier eher zu einem Höhepunkt: Große Gefühle werden bei „Won’t Sleep Alone“ relativ kitschfrei – im völligen Kontrast zu den Bandfotos – und dadurch deutlich ehrlicher als bei vielen Kollegen vorgetragen. Immer wieder schafft es das Quintett zu überraschen: „Can’t Fight The Past“ wartet zwar mit einem völlig unspektakulären Refrain auf, begeistert aber durch eine schicke Gitarrenakzentuierung in der Strophe. Düster wird’s bei „Gallery Of Broken Glass“, auch hier geht die Zusammenarbeit von Instrumenten und Gesang wieder wunderbar auf: Tiefe, emotionale Stimme trifft auf catchy Melodien, sicher eines der besten Stücke auf der Scheibe. Sogar progressive Anklänge finden sich auf „The Sky Is The Limit“ und zeigen, dass es die Jungs mit ihrem Anspruch wirklich ernst meinen. Zwar treten die geballt nur beim vorletzten Stück „Mindmines“ zu Tage, doch gelingt es dadurch, das Niveau bis zum Ende wirklich hoch zu halten, wenn nicht sogar tendenziell eher zu steigern.
Wenn es jetzt noch gelingt den ein oder anderen etwas zu gewöhnlichen Chor-Refrain zu überarbeiten und die düstere Atmosphäre zu intensivieren, dann steht dem Durchmarsch nach ganz oben nichts mehr im Wege. Einen Joker haben die Jungs mit „The Sky Is The Limit“ – wie auf dem Cover schön dargestellt – jedenfalls schon mal gezogen.
Wertung: 8 / 10