Review Enslaved – Utgard

  • Label: Nuclear Blast
  • Veröffentlicht: 2020
  • Spielart: Black Metal

Black Metal verbindet man nicht automatisch mit Prog-Rock. Doch Bands wie ENSLAVED, Ulver oder Emperor/Ihsahn haben in den letzten 20 Jahren genau diese Verquickung herbeigeführt – durch eine spektakuläre musikalische Entwicklung, der unlängst gar der Guardian eine umfangreiche Reportage widmete. Mit ihrem 15. Album „Utgard“ machen ENSLAVED die Vision dahinter anschaulicher denn je. Der volle Titel des Werkes müsste deswegen lauten: „Utgard – Einmal Prog-Rock und zurück“.

Tatsächlich beginnt „Utgard“ mit „Fires In The Dark“ aber erst einmal so „pagan“ wie kein ENSLAVED-Album dieses Jahrtausends: Der eröffnende Chor erinnert eher an die By-Norse-Kollegen Wardruna oder Ivar Bjørnsons selbstbetiteltes Projekt mit Einar Selvik, ehe Grutle Kjellsons charakteristisches Gurgeln und später auch der Klargesang und das Riffing ENSLAVED unverkennbar machen. Roh und progressiv, düster und hell, schroff und lieblich – schon dieser erste Song vereint alle Kontraste, die die Geschichte von ENSLAVED zu bieten hat. Damit ist „Fires In The Dark“ ein Vorbote für das, was die Norweger auf „Utgard“ in knapp 45 Minuten Spielzeit gesammelt haben.

Das folgende „Jettegryta“ erinnert so deutlich wie kein Song zuvor an die „Ruun“-Ära – unternimmt aber zugleich einen spektakulären Ausflug in schwurbelige Prog-Rock-Gefilde. Dieser nimmt dem Stück zwar etwas den Drive, ist jedoch so schön, dass man ihm dafür kaum böse sein kann. Neben dem arg kitschigen Interlude „Utgardr“ mit all seinem Hall und seinen Sound-Samples ist dieser Bruch dann auch der einzig streitbare Moment auf einem Album, das seine Stärke ansonsten eben gerade aus der in sich stimmigen Vielfalt zieht: „Sequence“ tendiert mit Fokus auf schönen Klargesangslinien zum Prog, „Homebound“ schenkt dem Album mit knackigem Riffing und ausschweifenden Soli etwas Rock-Attitüde und in „Flight Of Thought And Memory“ sowie „Storms Of Utgard“ zelebrieren ENSLAVED majestätischen, melodischen Black Metal, wie sie es lange nicht getan haben. Wie um all diese Fäden zum Ende hin zusammenzuführen, platzieren ENSLAVED mit „Distant Seasons“ den vielseitigsten Track des Albums an letzter Stelle.

Dass die Norweger den Verlust von Sänger Herbrand Larsen nach dessen Ausstieg 2016 durch Håkon Vinje und Iver Sandøy kompensieren konnten, ist nur einer von vielen kleinen Bausteinen in der „architektonischen“ Meisterleistung, die diesem Album zu Grunde liegt. Auch der in allen Belangen – vom Beckenklang bis zur raumfüllenden Dichte bei erfreulicher Klarheit – überzeugende Sound und das moderne wie zugleich klassische Artwork tragen ihren Teil bei. Wie ein schützendes Dach spannt sich über die ganze Konstruktion aber die kompositorische Eleganz, mit der ENSLAVED hier die äußersten Pole ihrer bisherigen Karriere schwungvoll verbinden. Im Resultat ist „Utgard“ das vielseitigste und in alle Richtungen extremste, zugleich aber ein in sich geschlossenes und bis auf die erwähnten Kleinigkeiten perfektes Album. Mit anderen Worten: Wer „Utgard“ nicht mag, hat ENSLAVED nie geliebt.

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Wertung: 9 / 10

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