Zum wievielten Mal in den letzten Monaten habe ich jetzt eigentlich das gleiche Album auf dem Tisch liegen? Gefühlt ist das nicht mehr zu zählen, anscheinend gibt es aktuell wieder einen Boom an gotischen Symphonic-Metal-Bands mit weiblichem Gesang, auch ENCHANTYA machen da keine Ausnahme. Die Band kommt recht exotisch aus Portugal, ein Land, welches wegen oder trotz seiner konservativen Lebensweise bislang wenig auf der internationalen Metallandkarte erschienen ist.
Gegründet 2004, dauerte es fast eine Dekade, bis das Debüt im Kasten und veröffentlicht war. Rückschlüsse auf die Qualität zu ziehen scheint dementsprechend zumindest nicht völlig abwegig, aber geben wir der Sache erst einmal eine Chance.
Hier und da rockt ENCHANTYA schon ganz gut los. Frontfrau Rute ist ihrer Korpulenz entsprechend ziemlich stimmgewaltig, intoniert meiner Meinung nach aber zu häufig in opernhaften Sphären. Die Stimme an sich finde ich nicht verkehrt, aber mir würde es deutlich besser gefallen, wenn sie eher etwas tiefer singen würde, das würde gleichermaßen das Anstrengungspotential reduzieren. Hier und da ist die Stimmlage sicher in Ordnung, gerade in den bedächtigeren Momenten, aber diese sind verhältnismäßig rar gesäht, so dass man mit einer etwas anderen Ausrichtung die durchaus krachigen Songs noch besser hätte auskleiden können. Daran ändern auch die vornehmlich in der ersten Hälfte platzierten männlichen Vocals nicht so viel.
So bleibt viel der instrumentalen Kraft auf der Strecke, schade eigentlich, denn im Gegensatz zu vielen anderen Genrevertretern haben ENCHANTYA ihre starken Momente tatsächlich dann, wenn sie Gas geben. Allerdings sollte man auch nicht verschweigen, dass viele Songs trotz verhältnismäßig kurzer Spielzeiten (nur einer übertrifft die sechs Minuten, in der Regel finished man im Vierminutenbereich) nicht so wirklich zünden wollen. Klar, etwas Progressivität ist schon drin in den Liedern, aber da wollen wir mal nicht übertreiben, weder die Riffs noch die Strukturen sind so vertrackt, dass man sich aus diesem Grund in ihnen nicht zurecht finden würde.
Musikalisch läuft auch nicht alles verkehrt; die Instrumentalisten scheinen durchaus versiert zu sein, das eine oder andere Solo hat ebenso seinen Weg auf die Platte gefunden wie so mancher Schlagzeugeinsatz, der über das Normalmaß einer Veröffentlichung in dem Genre hinausgeht. Aber was nützt es, wenn die Songs als solche doch eher blass bleiben?
Schade, bei dem Potential der Musiker wäre mehr drin gewesen als der im fortgeschrittenen 21. Jahrhundert typische Durchschnitt. Zeit genug für ein passables Songwriting wäre ja gewesen, nach acht Jahren Bandgeschichte hatte man sicher einige Schwierigkeiten, aber bestimmt keinen Zeitdruck. „Dark Rising“ ist kein Album, ohne das die Welt unglücklicher wäre.
Wertung: 5 / 10