Cover-Artwork des Albums The Persistence Of Memory der Band Emigrate

Review Emigrate – The Persistence Of Memory

Richard Zven Kruspe ist einer der größten Rockstars Deutschlands: Mit seiner Band Rammstein hat er mehr als 20 Millionen Tonträger verkauft und füllt, wenn nicht gerade Pandemie ist, weltweit Stadien. Das allein scheint „RZK“ jedoch nicht auszufüllen – und so rief der Gitarrist 2005 sein Soloprojekt EMIGRATE ins Leben. Dessen stilistische Ausrichtung ging seit dem selbstbetitelten Debüt (2007) vom anfänglich noch recht Rammstein-nahen Industrial-Rock über die folgenden Alben „Silent So Long“ (2014) und vor allem „A Million Degrees“ (2018) immer weiter Richtung Elektro-Pop. Mit „The Persistence Of Memory“ veröffentlicht Kruspe nun eine Sammlung von Grund auf überarbeiteter Überbleibsel dieser drei Alben.

Dass der Opener „Rage“ mit gefälligem, Synthie-geprägtem Alternative-Rock im Stile von Pain und Konsorten gut ins Ohr geht, stimmt zunächst zuversichtlich – macht jedoch aufs Ganze gesehen nur noch deutlicher, woran es „The Persistence Of Memory“ mangelt. Denn alles was folgt, ist bestenfalls egal.

Da wäre etwa ein Song mit einem Gastbeitrag von Kruspes Rammstein-Kollege Till Lindemann, den man guten Gewissens unerwähnt lassen könnte – hätten sich die beiden Männer hier nicht zusammengetan, um das durch Elvis Presley bekannt gewordene „Always On My Mind“ zu massakrieren. Oder „Yeah Yeah Yeah“, das tatsächlich so belangloses Gedüdel zu bieten hat, wie der Songtitel befürchten lässt. Oder „Come Over“, das wohlwollend betrachtet nach einem Billig-Remix eines mittelmäßigen ’90s-Skatepunk-Songs der Sorte Green Day klingt. Oder das komplett blutleere „You Can’t Run Anway“, das in seiner Blässe in jeder Vampir-Disko der Dancefloor-Fluter sein dürfte. Aber eben nur dort. Etwas besser funktionieren der bereits 2001 als einer der ersten EMIGRATE-Songs entstandene Track „Freeze My Mind“ und das post-punkige „Hypothetical“ (beide mit deutlich mehr Rammstein-Attitüde im Riffing, aber auch netten Sound-Gimmicks) – von Hits oder auch nur Ohrwürmern ist man hier aber noch immer weit entfernt. Immerhin: Mit dem atmosphärisch düsteren, extperimentell arrangierten „Let You Go“ zeigen EMIGRATE zum Abschluss nochmal in aller Deutlichkeit, was in der vorangegangenen halben Stunde falsch gelaufen ist.

Dabei kann man nicht einmal sagen, die Ideen, die Kruspe für diesen Release abgestaubt und aufgehübscht hat, wären generell besser in der Schublade geblieben. Würde nur nicht alles an „The Persistence Of Memory“ in der Umsetzung so furchtbar lasch wirken. Neben dem trockenen Sound, der mit der nach Opulenz schreienden Poppigkeit mancher Stücke so gar nicht zusammenpassen will, sticht vor allem der Gesang negativ heraus: Hätte RZK beim Einsingen nebenher seine Wetter-App gecheckt oder auf Lieferando sein Abendessen organisiert – die Vocals hätten nicht emotionsloser und desinteressierter klingen können. Das ist umso auffälliger, als sich die Stimme mit unintuitiven Gesangslinien immer wieder in den Mittelpunkt drägt, nur um dort ziellos herumzuschlurfen.

Obwohl für den Mainstream geschaffen, haben es EMIGRATE mit bislang drei Alben nicht geschafft, die Massen zu begeistern und auch nur ansatzweise zu Rammstein aufzuschließen. „The Pesistence Of Memory“ wird das nicht ändern: Diese zum Album hochgejazzte Songsammlung ist an Belanglosigkeit kaum zu überbieten und allenfalls ein Beweis dafür, wie viel Glück es braucht, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit den richtigen Leuten eine Band zu gründen, die dann weltweit erfolgreich wird. Anders gesagt: Dass der gleiche Musiker, der diese neun Songs geschrieben hat, mit RAMMSTEIN zum Superstar wurde, ist kaum zu glauben.

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Wertung: 4 / 10

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2 Kommentare zu “Emigrate – The Persistence Of Memory

  1. Sehr negative Kritik. Sehr negativ. Hoffentlich liest Kruspe das nicht mal selbst aus Versehen irgendwo. Das könnte ihn „psychisch runter reissen“ wie sonst was. Ich finde die Kritik übertreibt schon fast ins Negative. Er hört sich beinahe so an als könnte man Emigrate Album Nummer 4 nur als echter Emigrate Fan lieben. Das wird Richard nicht gerecht. Ich beschäftige mich jetzt bald 24 bis 25 Jahre mit Rammstein und Kruspe. Ich finde der Kritiker geht zu oberflächlich an Emigrate und Kruspe im Speziellen heran. Bei Kruspe als Persönlichkeit und Mensch muss man Willens sein zusätzlich in Vieles ein zu tauchen was hier schlichtweg ausser Acht gelassen wurde. Kruspe selbst wieder ist von so vielen Dingen, Stimmungen, Richtungen, Gefühlen und Menschen beeinflusst, dass man das nicht einfach so ab handeln kann. Und nur weil ein 4. Emigrate Album nicht Jedem gefällt, heisst das nicht dass ein 5. nicht wieder besser werden kann.
    Jemandem mit Kruspes schwieriger persönlicher Hintergrund-und-Lebensgeschichte wird das hier absolut nicht gereicht. Freundliche Grüsse Patricia Ulbrich

    1. Ich denke, ein Künstler wie Richard Kruspe mit mehreren Jahrzehnten Erfahrung im Musikbusiness steht sicherlich in einem solchen Maße über den Dingen, dass er sich nicht von einer einzelnen kritischen Rezension in einem Online-Magazin „herunterreißen“ lassen wird. Darüber hinaus beschäftigt sich eine Albumkritik nun mal mit dem, was das Werk musikalisch und künstlerisch zu bieten hat und nicht mit den privaten Umständen, Persönlichkeiten, Stimmungen und Gefühlen der Künstler*innen, sofern diese nicht Teil des Werks sind (diese ansonsten mit einzubeziehen und/oder folglich gar eine „Wertung“ daraus abzuleiten, wäre auch unangemessen). Und wenn Moritz anhand dessen, was hier geboten wird, nun mal zu einem sehr kritischen Urteil kommt, ist das komplett legitim. Danke fürs Lesen und Kommentieren und viele Grüße aus der Redaktion!

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