Review Ellipsis – Imperial Tzadik

Als ich das erste Mal ein Lied des neuen Albums von ELLIPSIS hörte, beschränkten sich meine Gedanken zunächst auf ein schlichtes „Was dat’n?“; verwirrend, befremdlich, teilweise gar abschreckend kamen die Töne aus meinen Boxen daher. Trotzdem war mein Interesse geweckt, waren doch auch sehr ansprechende Elemente in der Musik vorhanden, und so luchste ich dem Kollegen Teufel – ein wenig zu seiner Erleichterung, wie es mir schien – die Promo ab.

Also, was wird dem wagemutigen Hörer hier geboten? Um mich kurz zu fassen: Keine Ahnung. Ich habe mir „Imperial Tzadik“ jetzt mehrmals gegeben und siehe da: „Da steh ich nun, ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor“. Wer versucht, diese Band in eine der vorgefertigten Schubladen zu stecken, der wird höchstwahrscheinlich scheitern; zu vielfältig ist die Musik des französischen Quintetts. Grundsätzlich kann man sagen, dass sie zwei Seiten hat. Die eine ist geprägt von merkwürdigen befremdlichen Klängen: Stakkato-artige Gesänge, hervorstoßende Chöre, disharmonische Gitarrenriffs und -klänge und ein Gesang, der teilweise von einem Irren stammen könnte. Die andere besteht aus gnadenlos rockenden Passagen, einlullenden Gitarrensoli, hypnotisch-ruhigen Akustikparts und innovativen Elementen.

Einzeln betrachtet macht die erste Seite wenig Sinn, denn isoliert versprechen solche Sachen keinen großen Hörgenuss. Führt man die beiden Elemente jedoch zusammen, kommt es zu einer überaus heftigen Reaktion und es entsteht ein absolut kolossales Album – „Imperial Tzadik“ eben. Ich gebe zu, ich habe ein paar Anläufe gebraucht, bis ich mit der Scheibe warm geworden bin, aber jetzt komme ich aus der Verzückung gar nicht mehr heraus, denn ELLIPSIS klingen auf dieser Platte einfach nur herrlich frisch, schwungvoll und schlicht geil. Die Kombination aus verwirrenden Klängen und Mitgehpassagen erzeugt eine unheimlich dichte Atmosphäre, die einen, sofern man sich darauf einlässt, schnell in ihren Bann zieht. Auf der Haben-Seite lässt sich neben der Atmosphäre auch die Abwechslung finden, die hier geboten wird: Mal klingt ein Lied nach Sepulturas „Dante XXI“ und bringt dazu noch faszinierende Stammesgesänge mit („Tribal Misericordia“), mal bewegt sich der Fünfer in Doom-Gefilden („Possessed Dilemna“), mal geht man straight nach vorn und rockt einfach die Bude („Perfect Rage“). Hier wird einfach überall etwas geboten. Und nicht zuletzt der Gesang von Emmanuelson trägt zur Klasse des Albums bei; er ist zwar gewöhnungsbedürftig, doch ist die Gewöhnungsphase erst einmal abgeschlossen, weiß er dafür umso mehr zu gefallen, denn er versprüht Energie en masse und ist sehr wandelbar – das Spektrum reicht von gehauchten Passagen über Klargesang bis zu Growls.

ELLIPSIS werden mit diesem Album mit Sicherheit polarisieren, das war schon bei uns in der Redaktion zu beobachten; vom Chef und vom Kollegen Teufel hörte ich, sie fänden die Musik „komisch“, ich wiederum halte sie schlicht für genial. Dass „Imperial Tzadik“ komisch ist, will ich auch gar nicht in Abrede stellen, aber genau dieses Vertrackte macht den großen Reiz der Platte aus. Die Franzosen bewegen sich ständig auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn und wanken dabei wie in wohliger Trunkenheit hin und her, ohne dabei von der Klippe zu fallen und auf der Talsohle der Nervigkeit zu zerschellen. „Imperial Tzadik“ braucht definitiv mehr als einen Anlauf um sich zu entfalten, und ich gebe jedem, der hier ein Ohr riskieren möchte, den Rat, dem Album die zusätzlichen Chancen zu gewähren. Engstirnige Leute oder solche, die mit härterer Musik (bis zu Sepultura-Thrash) nichts anfangen können, sollten sich von ELLIPSIS fernhalten; Disillusion-Fans hingegen könnten mit der Gruppe einen verdammt großen Haufen Spaß haben. „Perfect Rage“ kann man sich auf der Internetpräsenz der Franzosen anhören, am besten spiegelt jedoch der Titeltrack die Genialität der Band wieder. Manche werden darüber den Kopf schütteln, aber ich kann hier einfach nicht anders als die Höchstnote zu vergeben, und ich bin mir sicher, dass es auch solche geben wird, die mir beipflichten.

Wertung: 10 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert