[Stoner Rock / Progressive Rock] Spätestens seit dem großartigen 2015er Output „Lore“ sind ELDER auch Metal-Fans außerhalb der Stoner-Rock- und Doom-Szene ein Begriff. Der Nachfolger „Reflections Of A Floating World“ untermauerte den Anspruch der Wahlberliner auf einen der Spitzenplätze in den genannten Genres. 2020 steht das inzwischen fünfte Studioalbum der Band in den Startlöchern – und neben Veränderungen in der Besetzung sind auch stilistische Unterschiede zu verzeichnen, die dem einen oder anderen Fan der ersten Stunde möglicherweise nicht gefallen könnten.
Einen Hinweis auf die vielleicht grundlegendste Veränderung zum Vorgängeralbum geben die ersten rund 30 Sekunden auf „Omens“. Denn ziemlich genau so lange dauert es, bis die ersten Gitarren erklingen – vorher lassen die siebziger Jahre in Form eines soundtechnisch äußerst analog daherkommenden Synthesizers sowie einer dazu passenden Orgel grüßen. Da Tasteninstrumente auch auf Albumlänge einen nicht unwesentlichen Raum einnehmen, rücken die Stoner- und Doom-Elemente ein Stück weit in den Hintergrund – allerdings ohne dass die für ELDER typische psychedelische Komponente auf der Strecke bleibt.
Auch die Produktion unterscheidet sich maßgeblich von dem hervorragend umgesetzten „Reflections Of A Floating World“ – und ist sicherlich Geschmackssache, denn auch sie rückt „Omens“ ein Stück weit in progressivere Gefilde, womit ELDER eine gute Portion Wüstensand einbüßen. Insgesamt klingt das Album ein wenig dünner, aber auch differenzierter aus den Boxen. Trotzdem schade, denn das schmälert den Spaßfaktor in den metallischeren Passagen schon ein wenig.
Dafür sind die Songs, allen voran „Embers“, durch die Bank erstklassig und man kann ELDER ohne weiteres attestieren, dass ihnen die Einbeziehung von Elementen aus klassischem Progressive- und sogar Krautrock ausgezeichnet zu Gesicht steht. Die aus Boston stammende Band ist ein Meister in Sachen ausschweifende Arrangements und trotz Songlängen von über zehn Minuten ist Langeweile nie ein Thema, im Gegenteil: „Omens“ ist äußerst abwechslungsreich und viele Songabschnitte und Melodien bleiben auch mal länger im Ohr kleben.
So bleibt zu hoffen, dass Keyboarder Fabio Cuomo auch zukünftig für ELDER in die Tasten greifen darf und da sowohl Sänger/Gitarrist Nicholas DiSalvo als auch Gitarrist Michael Risberg ganz gut mit Orgeln und Synthesizern klarkommen, sind die minutenlangen psychedelischen Instrumentalpassagen richtig großes Kino geworden.
DiSalvos Gesang ist wie auch schon auf den vorangegangenen Alben recht charakteristisch, hier hat sich nichts geändert. Allerdings sind die Texte um einiges gesellschaftskritischer als in der Vergangenheit, was „Omens“ zu ELDERs politischster Platte macht. Schlagzeuger Matt Couto ist übrigens nicht mehr dabei, dafür schwingt Georg Edert ähnlich gekonnt groovend die Drumsticks – und ganz ehrlich: der Wechsel hat wenig Auswirkungen auf die Qualität des Rhythmusfundaments der Truppe.
„Omens“ ist ein toller Hybrid aus Progressive- und Stoner-Rock, der ein wenig unter der etwas flachen Produktion leidet und nicht nur dadurch Stoner-Puristen verschrecken könnte. Dafür ist allerdings das Potential vorhanden, eine neue Zielgruppe zu erschließen, denn auch Freunde gepflegter Seventies-Keyboard-Klänge kommen hier voll auf ihre Kosten. ELDERs Album zeugt von einer ungemeinen Spielfreude und ist somit unterm Strich eine der Platten, die man 2020 durchaus mal gehört haben sollte.
Wertung: 8 / 10