Review Eisregen – Wundwasser

Es gibt wohl wenige deutsche Bands, die umstrittener sind als Eisregen. Nach zwei Indizierungen und einer Bandpause von einem Jahr melden sich die Thüringer nun endlich mit ihrem fünften Album „Wundwasser“ zurück. Auch hier wird es wieder viele Diskussionen um Texte, Moral, Geschmacklosigkeit und was auch immer geben. Doch die zahlreichen Fans wird das absolut nicht stören.

Wer mit dem eher death-metal-lastigen und seltsam produzierten „Leichenlager“ und dem auf ruhigere Melodien und extra morbide Stimmung setzende „Farbenf*nstern*s“ weniger anfangen konnte und stattdessen mehr mit den „Krebsk*l*nie“-Klängen anfangen kann, der wird mit „Wundwasser“ seine Freude haben.
Instrumental geht’s also wieder mehr zur Sache, der Anteil an melodischem Black Metal ist wieder deutlich gestiegen. Der Eisregen-Sound besteht aber auch weiterhin aus vielen Facetten, so unter anderem Heavy Metal-Riffs, die stark ans schwarze Album von Metallica erinnern („Was vom Leben übrig blieb“). Der „Ripper von Rostow“ beispielsweise kreuzt Rammstein-artige Klänge mit atmosphärischem Black Metal und ruhigen, akustischen Momenten, als würde das eine Selbstverständlichkeit sein. Mit „Glas“ ist auch wieder eine Eisregen-typische Ballade mit düster-romantisch-kranker Stimmung am Start. Dazu hat die Geige bei „Blutgeil“ ihren größten Auftritt, aber auch in vielen anderen Stücken ist sie wie die akustische Gitarre unverzichtbar.

Live dürften sich vor allem „Am Glockenseil“, „Vom Muttermord“, das rasante „Kreuznarbe“ und das schleppende „Wundwasser“ wegen besonderer Mitgröl- und Abgehtauglichkeit zu Pflichtnummern entwickeln, und auch „mein Eichensarg“ und „Ripper von Rostow“ dürften bei Konzerten wohl unverzichtbar werden. Zumindest würd ich eben jene Nummern ziemlich gerne auch live erleben können.
Textlich besonders gelungen finde ich „Vom Muttermord“, dass mit seiner Geschichte von einer traumatischen Kindheit so manchem verbohrten Verbotsfetischisten zeigen könnte, dass Eisregen-Texte keine stumpfen und gewalttätigen Splatterangelegenheiten sind. Die Lyrics sind zwar alle sehr extrem und schonungslos, aber wie immer eine deutliche Spur an schwarzem Humor, kranker Poesie, Ironie und Gesellschaftskritik erkennen lassen, wenn man sich denn darauf einlässt.
Klar, nicht jeder will damit was anfangen können, aber massentauglich oder „normal“ waren Eisregen schließlich noch nie. Deswegen hat die Band auch weiterhin eine ganz besondere Ausnahmestellung sicher.
Gesanglich kommt zu den üblichen, psychopatisch-gekrächzten Vocals, den seltener eingesetzten Growls und dem von „Farbenf*nstern*s“ bekanntem, klarem Gesang noch eine weitere klare Gesangsart, die mich etwas an Crematory erinnert und hier vor allem beim Titelstück zum Einsatz kommt.

Auch wenn „Wundwasser“ nicht ganz ans unerreichbare Meisterwerk „Krebsk*l*nie“ rankommt, haben Eisregen mit ihrem fünften Album ein durch und durch überzeugendes und eigenständiges Stück düsterem, morbidem und herrlich psychopatisch wirkendem Gemisch aus Black-, Death, Heavy- und Gothic-Metal. Leider wird die Band nach dem kommenden, sechsten Album „Menschenmaterial“ ihr Ende finden. Hoffentlich kann man Eisregen bis dahin noch das ein oder andere mal live begutachten…Oder um es mit den Worten von „Wundwasser“ zu formulieren: „Mein Leben für die Kunst…“ Eisregen ist Kunst, und das Kunstwerk steht kurz vor seiner endgültigen Fertigstellung.

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 5. April 2013 von Metal1.info

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