Kennt einer einen Ort namens Orange County? Metalcore wird seit neuestem von dorther importiert. Eighteen Visions ist eine von den Bands, die sich dort mit low budget den Allerwertesten wund tourten und Clubs den Erdboden gleichmachten. Das war aber mal. Während alte Kollegen wie Atreyu oder Bleeding Through mit Metalcore nun die Taschen mit Banknoten füllen, haben Eighteen Visions diesen Durchbruch verpasst. Die ehemaligen Krachmacher sind umgestiegen auf die Alternative Pfade und lassen ihr Album erschreckend melodisch und eingängig klingen. Klar ist lediglich, das die Band nun internationale Bühnen endgültig für sich haben will und das geht nun mal nicht, wenn man ständig auf chaotisches Brutalo-Geknüppel zurückgreift.
So wurden die Songs auf „Obsession“ mit ordentlich sauberer Gesangslage und melodischen Gitarrenparts versehen. Opener und Titeltrack „Obesession“ verweist noch ein letztes Mal deutlich auf die musikalischen Roots der Band und bietet leichten Metalcore der gewohnten Sorte. Was danach folgt, ist ein musikalisches Theaterstück, das die Fans der ersten Stunde wohl eher vertreiben würde. Sicher ist, das man mit dieser Platte ordentlich Kohle scheffeln könnte. Und sicher ist auch, das man dadurch ein viel breiteres Publikum für sich beanspruchen wird. Neider werden der Band Verrat vorwerfen und sie verfluchen. Aber Einfältigkeit dieser Güte sollte daran abprallen.
Eighteen Visions ballancieren auf einem Drahtseil, ohne zu fallen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren und vermitteln gekonnt zwischen brachialer Härte und angenehmer Melodie. „I Let Go“ haucht dem Album viel von ebenjener Melodie ein, groovt auf seine eigene Art und stellt Kreativität einmal mehr in den Vordergrund. „Tower Of Snakes“ kracht wiederholt ordentlich durch die Stereo-Lautsprecher, zeigt, was Eighteen Visions wirklich zu bieten haben und lassen Heucheleien verstummen. „Waiting For The Heavens“ sticht nicht nur als erste Single-Auskopplung deutlich hervor, sondern bietet durch die immense Energie ein Highlight des Langspielers. Der beständig gröhlende Schreihals James Hart beweist Gesangsfähigkeit und das Talent, Emotionen auf eine einfache und nicht penetrante Weise zu vermitteln. Auch über die Produktion kann man nicht meckern. Vielleicht ein wenig zu gut, aber am Gesamtbild wird nichts verzerrt. Lyrisch wird Pessimismus wieder groß geschrieben. Wut, Zerrissenheit undVerzweiflung pflastern sich stellenweise auf schwer drückende Gitarrenekstasen und finden sich im Chaos dessen in balladeskem Gezupfe wieder. Und das klingt am Ende sogar richtig gut. Die Entwicklung hätte das Quartett zeitlich besser nicht plazieren können.
Wie war das nochmal mit Slipknot? Auch sie haben nach dem brachialen „Iowa“ eine musikalisches Lifting über sich ergehen lassen und erstrahlten wie seit ihren Anfangstagen nicht mehr. Manchmal fehlt einer jungen Band einfach nur der Mut, um mal über den Tellerrand hinweg zu gucken und neue, musikalische Landschaften zu erreichen. „Obsession“ ist am Ende sicherlich keine Platte für Anhänger des Metalcore in Reinkultur und so auch nicht bezweckt. Viel eher kam ein Album heraus, das zum nachdenken, tagträumen, moshen und mitgröhlen anregt. Immer wieder gerne.
Wertung: 8 / 10