Review Edge Of Sanity – The Spectral Sorrows

  • Label: Black Mark
  • Veröffentlicht: 1993
  • Spielart: Death Metal

Wir befinden uns im Skandinavien der frühen neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts. In Norwegen tobt der Krieg unter den satanischen Horden, es werden Kirchen angezündet und Musiker bedroht / ermordet, im Land der Elche wird hingegen Todesmetall in Höchstform zelebriert.
War es allerdings im Jahre 1993 bis auf Dismembers „Indecent & Obscene“ ziemlich ruhig um die Genregrößen, hauten uns die oftmals zu unrecht nicht beachteten Edge of Sanity mit „The Spectral Sorrows“ ihr drittes und meiner Meinung nach bestes Fullength-Album vor den Latz, eine fabelhafte Symbiose zwischen Härte und Melodie, was aber auch, sofern man die gesamte Edge of Sanity Discographie kennt, schon zu erahnen ist:Waren die Mannen aus Sverige anfangs noch räudig, hart und stampfend am tönen wie auf „Nothing but Death remains“, entwickelte sich ihr musikalisches Konzept immer mehr zu einem genau durchdachten Gesamtwerk, in dem Härte eine weniger wichtige Rolle einnimmt wie auf den „Crimson“-Alben.

Nun zum Release an sich. Beim ersten Betrachten fällt einem schon das von Meister Dan Seagrave gemalte Cover auf. Es passt wie bei kaum einem zweiten Album so perfekt zur Musik wie hier, höchstens das „Left Hand Path“ Cover von Entombed kann in dieser Beziehung das Wasser reichen. Düster, organisch, wunderlich und böse schaut die Zeichnung aus. Genau diese Eigenschaften besitzt auch der Sound aus dem hauseigenen Unisound Studio (natürlich auch abgemischt von Meister Dan Swanö himself), der einem die nächsten 54 Minuten die Abgründe der menschlichen Seele aufweist, einen durch die Unterwelt führt und der stellenweise von Blasphemie nur so strotzt. Herrlich schwedisch.

Verhalten geht es zu Anfang mit dem titelgebenden Stück als Instrumental auf Gitarre, begleitet von dumpfen, künstlich erzeugten Klängen und spärlichem Schlagzeugeinsatz, zur Sache – wie die bekannte und gern zitierte Ruhe vor dem Sturm – bis sich bei „Darkday“ die Gitarren mit herrlichem Gerase und das Schlagwerk mit Blastbeats – die Elemente also, die den Old School Elchtod so maßgeblich prägten – losreißen. Swanös Gesang, einzigartig und genial wie eh und je, trägt sein übliches dazu bei. Das Getobe wird, wie es noch öfters bei „The Spectral Sorrows“ vorkommen soll, nur durch kurze Zwischenparts ohne Gesang und mit spärlichem Einsatz von elektronischen „Hilfsmitteln“ unterbrochen.
Kleine Randnotiz zu „Darkday“: die Textzeile “Like Fragments of Unbecoming“ dürfte namensgebend für die bekannte Death Metal-Band aus Hessen gewesen sein.
Weiter gerotzt wird mit „Livin’ Hell“. Ziemlich bangtauglich wird über die seelischen Qualen eines namenslosen Mädels gedichtet. Aufgelockert wird das Ganze durch einen doomigen Zwischenpart mit tiefem Geröhre von Dan, der schon mal optimal auf den obligatorischen Refrain zum Mitgrölen (dieses „Stilmittel“ wird den Hörer auch die nächsten 10 Tracks begleiten) einstimmt.
Zum Entspannen der möglicherweise strapazierten Nackenmuskulatur bleibt keine Zeit – nur das Tempo wird etwas gedrosselt -, denn mit „Lost“ folgt eines meiner Lieblingsstücke dieses Rundlings, welches bei mir trotz der düster depressiven Thematik jedes Mal ein zufriedenes Grinsen verursacht.

„The Masque“ stellt mit 6:38 Minuten längste Titel dar. Zu Beginn ein stimmiges Riff, bald darauf folgt auch schon dieser herrausstechende, ganz bandtypische Refrain. Bei Minute 5 wird es noch mal außergewöhnlich für damalige Zeiten: erst ein ruhiges, träumerisches Riffing seitens der Mannen an den 6-Saitern, dann cleaner Gesang, den in Anfang der 90er nur ganz wenige Death Metal-Gruppen wie die finnischen Amorphis verwendeten.Bei „Blood of my Enemies“ dürfte es bei einigen Alteingesessenen klingeln. Ja, richtig! Auch wenn es komisch klingen mag: Edge of Sanity haben das bekannte Manowar-Lied von der „Hail To England“ wirklich gecovert. Und das auch noch wahnsinnig gut, ich mag diese Version lieber als das Original von ’84. Hier weicht man logischerweise auch von der typischen Edge of Sanity-Songstruktur ab, da vieles natürlich vorgegeben ist. Das Heroische, was so zeichnend für die Songs Lederkombiträger aus Amerika ist, bleibt erhalten, nur wird alles ein Stück wuchtiger und vor allem härter.
Auf diesen kurzen Exkurs in True Metal’sche Gefilde folgt „Jesus Cries“, mein absoluter Fave dieser Band und auch so ein Kandidat für die Top 10 meiner Lieblingslieder. Der Titel lässt schon erahnen, worauf man anspielt. Jesus, der Sohn Gottes, genagelt ans Kreuz, fleht zu seinem Vater, was die Nordmannen nicht sichtlich traurig stimmt, eher im Gegenteil („What a world do believe, could be all a fucking lie! I’ll never serve in heaven, I’ll rather rule in hell.”). Wie so oft wird hierbei der blinde Glauben, das blinde Vertrauen in die Religion angeprangert. An der musikalischen Umsetzung bleibt nichts zu bemängeln, ganz und gar nicht. Die Stimme Swanös heftig wie eh und je, dazu zwischendurch boshafte „Zischer“ und Zweitstimme von Dread, die Instrumente groovend, wuchtig, ein Refrain, bestens geeignet für die blasphemische Feier zwischendurch und letzten Endes auch noch eine hörspielartige Umsetzung der Kreuzigung inklusive Hammer, Nagel und dem Aufschreien des Gottessohnes.

Sprechgesang, der sich ähnlich wie bei einem Funkspruch anhört, untermalt von einer verzerrten und einer akustischen Gitarre, sowie marschartigen Schlagzeugtakten, gefolgt von einem garstigen, gegröhlten, Weltuntergangsstimmung verbreitenden „We’re soon to die!“ durchziehen den ersten, doomigen Teil von „Across the Fields of forever“. Ab Minute 2:40 wird dann ordentlich wuchtig zur Tat geschritten, Dampfwalzen-Feeling, um es mal blöde auszudrücken. Ein kurzer Doublebass Einschub rundet das Ganze ab der fünften Minute noch mal ab.
„On the other Side“ wartet mit dem „Blastbeats + schnelles Riffing“ Schema auf, was aber glücklicherweise und vielleicht auch komischerweise bei Edge of Sanity nie langweilig wird, der Refrain sticht wiedermal heraus, auch exzellente, langsame, wuchtige Parts gibt es hier wieder. Diese Elemente gleichen aber nie denen anderer Songs, jedes Lied behält seinen ganz eigenen Charakter. Und eben dieser Charakter entfaltet sich bei „On the other Side“ vor allem durch das göttliche Gitarrensolo ab 4:32 und den darauf folgenden cleanen Gesang, auf den ein weiteres Gitarrensolo folgt.

Als ich „Sacrifice“ das erste Mal gehört habe, dachte ich, mein CD Player hätte kurzerhand eine Billy Idol Scheibe remixed von Sentenced und Glen Danzig abgespielt, denn so in etwa hört sich der Lied Nummero 10 an. Auch wenn es anhand meines Geschriebenen so klingen mag als wäre das allzu kitschig – ist es nicht. Fremdartig, aber gut! Der durch den klaren, tiefen Gesang gut verständliche Text handelt von einem Menschen, von dessen Seele das Böse Besitz genommen hat und von nun an sein Leben in der Hölle fristen muss. Keine allzu originelle Thematik, aber, da es sich hier um Edge of Sanity handelt nicht platt vorgetragen wie es vielleicht bei Deicide sein würde.

Aber natürlich lässt sich die Band nicht lumpen und haut noch mal 2 Songs erster Death Metal-Güte raus, einer davon ist „Waiting to die“. Von allen 13 Liedern hört sich dieses wohl am fiesesten an, was durch den Refrain noch mal untermauert wird („Waiting to die, no use to defy. Abandon your life truth cuts like a knife“). Da knapp 3 Minuten für einen Edge of Sanity Song nicht wirklich lang sind, folgt sogleich “Feedin’ the Charlatan”, mit 2:45 Minuten sogar noch kürzer als sein Vorgänger. Die Riffs klingen teils ziemlich nach Hardcore, d.h. sehr tight, wuchtig, der Gesang, den ausnahmsweise komplett Dread beisteuert, könnte bis auf den verzerrten, clean gesungenen Refrain aus den Anfängen des Death Metals in den 80er Jahren kommen.
Die Schweden schaffen es damit also wieder, den Hörer zu überraschen, wie auch bei „A Serenade for the Dead“, was als Outro dient. Was man da hört, hätte man selbst nach „Sacrificed“ nicht erwartet. Ihr kennt sicher noch diese Biofilme a là „Befruchtung der Eizelle“ und sicher könnt ihr euch noch grob an die Hintergrundmusik erinnern. Ja, so in etwa hört sich der letzte Track auf „The Spectral Sorrows“ an. Trompetenklänge, Klaviergeklimper, ein paar Elektro-Spielereien also grob gesagt all das, was man nicht für möglich gehalten hätte. Aber es funktioniert, die „Serenade for the Dead“ ist in meinen Augen genau das, was sie sein soll, eine Serenade für die Toten. Wenn auch etwas kitschig, versprüht dieses Lied seinen ganz eigenen Charme, den Edge of Sanity gepachtet zu haben scheinen, und mir würde es nicht einfallen, dieses letzte Lied auf einer solchen Veröffentlichung als negativen Kritikpunkt in die Wertung eingehen zu lassen.

Abschließend, nach all dem Schildern und Beschreiben kann man sagen, „The Spectral Sorrows ist ein Album, über das man sicherlich seine Diplomarbeit schreiben könnte, nicht, weil es so progressiv, kompliziert zu erfassen oder vertrackt ist, sondern, weil es in sich absolut stimmig ist, alles fügt sich nahtlos zusammen, jeder Part passt perfekt, nichts scheint fehlt am Platze, die Komposition ist nahezu makellos.
Auch wenn ich hier etwas penibel zur Tat geschritten sein mag, dieses Werk verdient es, Stück für Stück, Note für Note besprochen zu werden, einfach zeitlos.
So bleibt mir – und das war angesichts dieser Besprechung wohl schon recht früh zu erkennen – nichts anderes übrig als, auch wenn ich es eigentlich ungern tue, die glatte 10 zu zücken, was soviel heißt wie:
Wer mit dieser Musikart was anfangen kann und das Album noch nicht im Schrank stehen hat, gehört geknebelt und gefoltert, bis er den Laden oder Mailorder seines Vertrauens konsultiert und sich „The Spectral Sorrows“ kauft!

(Roman)

Wertung: 10 / 10

Geschrieben am 5. April 2013 von Metal1.info

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