Bands, die Einflüsse so verschiedenartiger Musikgruppen wie Ahab, Alcest und Summoning unter einen Hut zu bringen versuchen, findet man nicht alle Tage. Neben der stilistischen Vielfalt ihrer Inspirationsquellen fällt an EARTHSHINE vor allem ihr ungewöhnliches Bandgefüge auf: hinter dem Projekt stecken zwei Brüder, die trotz der immensen räumlichen Entfernung zwischen ihnen – einer lebt in Australien, der andere in Japan – aus ihren unterschiedlichen klanglichen Vorlieben etwas Gemeinsames erschaffen wollen. In sein zweites Album „My Bones Shall Rest Upon The Mountain“ hat das Duo Charakteristika von Black Metal, Doom Metal, Post- und Psychedelic Rock eingearbeitet – eine interessante Kombination, die EARTHSHINE allerdings nicht ganz so konsistent in Szene setzen, wie man es von ihnen gerne hören würde.
Anstatt eine innige Verbindung zwischen den oben genannten Genres herzustellen, lassen EARTHSHINE sie im Zuge der Platte eher teilnahmslos nebeneinander stehen. So beginnt „My Bones Shall Rest Upon The Mountain“ mit zwei weitgehend gewöhnlichen, trübsinnigen Doom-Metal-Nummern, die sich im Wesentlichen bloß durch die fast schon schmerzhafte Grobheit ihres ohrenbetäubenden Sounds einprägen. Mit „A Warm Place With No Memory“ folgt dann ein zuvor allenfalls dezent angedeuteter Richtungswechsel hin zum Post-Black-Metal.
Und siehe da, mit einem Mal zeigen EARTHSHINE, dass sie mehr können, als nur lärmenden Zeitlupen-Metal. Die zähen Gitarrenriffs, das behäbige Drumming und die grimmigen Growls, die sich zuvor schwer aufs Gemüt gelegt haben, weichen hier träumerischem, gedämpftem Gesang, strahlend hellem Tremolo-Picking und lieblichen Clean-Gitarren, auf die sogar Alcest stolz sein dürften. Den Höhepunkt des Albums bildet zweifellos das anschließende „Bleed With Me“, das mit seinen sanftmütigen Melodien, seiner warmen, lässig verspielten Bassline, seiner natürlichen und kreativen Perkussion sowie seinem mitreißenden, ungestümen, an „Écailles De Lune“ (2010) erinnernden Auftakt von Anfang bis Ende begeistert.
Umso größer dann leider die Enttäuschung, als EARTHSHINE im Anschluss ziemlich genau da weitermachen, wo sie mit „Shadows On The Wall“ aufgehört haben. Auch die letzten beiden Stücke ranken sich um ein an sich solides Doom-Metal-Fundament, die hier zum Zug kommenden, pathetischen Clean-Vocals sind jedoch fürchterlich schief geraten und die zwei Songs als Ganzes weder besonders spannend noch emotional aufwühlend.
Sich für viele unterschiedliche Musikgattungen zu begeistern, ist eine Sache – diese zu einem schlüssigen Ganzen zu verbinden, wie sich auf „My Bones Shall Rest Upon The Mountain“ zeigt, allerdings eine ganz andere. Wenn EARTHSHINE sich mit der Feinfühligkeit Alcests dem Post-Black-Metal annähern und ihren unkonventionelleren Ideen freien Lauf lassen, kommt dabei mitunter zwar Fantastisches heraus, insgesamt überwiegt auf ihrer zweiten Album jedoch das mittelmäßige, sich mühevoll hinziehende Songmaterial. Man kann also nur hoffen, dass EARTHSHINE es in Zukunft besser gelingen wird, sich auf ihre unzweifelhaft vorhandenen Stärken zu besinnen – und diese nicht mehr mit einem gar so unschönen Sound unter Wert zu verkaufen.
Wertung: 5.5 / 10