EARLY GRAVE ist irgendwie ein unpassender Name für diese Band. Denn mit ihrem Altersdurchschnitt von gut 17,5 Jahren muss man sich kaum mit dem Thema Tod auseinandersetzen. Immerhin können die Metalcore Newcomer schon von sich behaupten Bands so unterschiedlicher Couleur wie Drowning Pool oder Mastodon supportet zu haben. Das relativ junge Sublabel von SPV Rising Records gab den Jungspunden nun eine Chance ihren Metalcore einer größeren Öffentlichkeit vorzustellen. Wünscht man nun dem Debüt „Tomorrow I am you“ ein frühes Grab herbei?
Nicht wirklich! Early Grave spielen Metalcore mit starkem Hang zu allem möglichen Extreme Metal. Der Gitarrist Josh Morgan spielt schnelle Riffs und Drummer Sean Ruane lässt Doppel-Kicks und die Bass Drum walten, wie das im modernen Metalcore-Zirkus so üblich ist. Was den Sound wirklich etwas eigener Macht sind dezente Anklänge an den Black Metal. Diese Platte nun Pandabären ans Herz zu legen ginge ebenso zu weit wie von „Black Metalcore“ zu sprechen. Aber Jordan Buttlers Gesangstil würde gut zu einer Schwarzmetall-Combo passen, auch gibt die äußerst raue Produktion einigen Riffs einen Klang, den ich gerne als frostig bezeichnen möchte. Der einzige Vergleich den ich zu einer solchen Offenheit gegenüber Black Metal im modernen Metal ziehen würde ist der zum letzten Werk von The Black Dahlia Murder „Nocturnal“. Doch bevor hier der Eindruck entsteht man habe hier eine all zu europäische Band vor sich: Zwischendurch greift die Band auf Elemente des Hardcore wie Gangshouts zurück oder baut auf Emo-Klargesänge in den Refrains, wie sie zur Zeit die amerikanische Metalcoreszene a la Bullets for my Valentine populär macht. Gleichzeitig kann das nötige Extrem jederzeit deren Hang zum Kitschigen neutralisieren.
Perfekt zusammengehalten werden die Songs allerdings vom wirklich guten Songwriting. Die Nummer 2 von „Tomorrow I am you“ schafft es beispielsweise spielend zwischen einer Black Metal artigen Wall of sound und einem herzerwärmenden Klischee Metalcorechorus zu pendeln. Groß ist auch „Dead to me“ das mit einem verworrenen Riff beginnt. Der Vierer spannt mit Leihtigkeit den Bogen zum galoppartigen Doppelbass um diesen mit kämpferischen Parolen zu paaren und sich dann wunderbar im Refrain zu öffnen. Rabiat fängt auch „To the grave“ an, bis sie schließlich den Schreigesang Jordan Butlers den Chören des Rests der Band gegenüber stellen. Auch dieses Lied enthält einen süchtig machenden Refrain. Besonders das brutal über einen hereinbrechende Durcheinander gegen Ende ist in der Lage den ein oder anderen Moshpit zum Überlaufen zu bringen. Diese Songs sind beispielhaft für den typischen Aufbau eines Early Grave-Stückes und erweisen sich dabei als wahre Hits. Die Leidenschaft mit der die Band dieses Muster in verschiedensten Variationen durch exerziert ist dabei durchgängig hörbar. Das sie auch anders können beweisen die Jungspünde gekonnt in der Powerballade „This day she reigns“. Toll im Ohr bleiben auch das furiose „Sharper than your tongue“ und der Rausschmeißer „Like a widow at the wake“.
Lobend erwähnt muss auch das schlichte, aber schöne Cover werden, dass ein einsames Ruderboot auf dem Meer ziert und einen großen Kontrast zu einem im Booklet abgedruckten Schlachtschiff bildet.
Bevor ich mir mein Köpfchen allerdings zerbreche welche tiefgründige Botschaft hinter dem Albumtitel „Tomorrow I am you“ und dem Bild steht, attestiere ich den zwei 18 Jährigen, dem einen 17 Jährigen und dem 16 jährigen Benjamin eine wirklich reife Leistung. Traditionalisten aller Herren Länder wird dieses Album zwar gehörig ankotzen, aber Freunde modernen Metals, denen eine Mischung aus Killswitch Engage und The Black Dahlia Murder gefallen könnte, werden hieran ihre Freude haben. Zwar zeigt diese Beschreibung, dass man keine Preise für Originalität einheimsen kann. Doch für die Eroberung des Metalcore-Throns hat man schließlich noch mehr als genug Zeit.
Redakteur: Lukas Schildknecht
Wertung: 7 / 10