Ja, es gibt ernsthaftere Bands. Ja, es gibt musikalisch anspruchsvollerer Bands und ja, natürlich auch genügend Bands mit mehr Tiefgang, aber hin und wieder packt es mich doch: Dann ist es genau Musik wie die von DRAGONLAND, die mich mit all ihrem Kitsch und Pathos begeistert wie damals vor gefühlten Ewigkeiten, als ich zum ersten mal mit opulenteren Werken wie denen von Blind Guardian und Co. in Berührung kam.
Kitschig und pathetisch ist „Under A Grey Banner“, das neue Werk der Schweden von DRAGONLAND definitiv geworden. Genauso kitschig und pathetisch, wie man es von einer Band diesen Namens aus Italien erwarten würde. Musikalisch wird die ganze Facette des Genrespektrum ausgereizt. Von Soundtrack Zwischenteilen mit voller Orchesterbreitseite über bedeutungsschwere Erzählpassagen bis hin zu peitschende Gitarrenriffs und Gesang in höchsten Stimmlagen. Wer sich dabei an Rhapsody Of Fire erinnert fühlt, der fühlt richtig, denn musikalische Parallelen sind definitiv vorhanden oder um es mit andern Worten zu sagen: Wer Gefallen an opulentem und symphonischem Power Metal findet, der wird sich für die Schweden von DRAGONLAND begeistern können.
„Under A Grey Banner“ ist das fünfte Album der 1999 gegründeten DRAGONLAND und der 3. Teil einer (wie könnte es anders sein) großangelegten Fantasy-Saga – der Dragonland Chonicles – bei der es um magische Schwerter, Drachen und dem ewigen Kampf zwischen Gut und Böse geht. Nichts Neues, aber textlich sollte man von Musik dieser Sparte ohnehin nicht zu viel erwarten, das inhaltliche Konzept dient wohl eher lediglich dazu, sich hemmungslos aus einem pathetischen Wortschatz zu bedienen und so die musikalische Ausrichtung auch textlich zu unterstützen. Schon an dieser Stelle möchte ich dennoch einen Besuch der Band-Website empfehlen, auf der sich umfangreiches Karten- und Infomaterial zur Story findet.
Nachdem über die 3 Minuten von „Ilmarion“ alle Intro-Register gezogen werden, startet „Shadow Of The Mithril Mountains“ mit astreinem Bombast / Fantasy Metal: Großartiger Refrain, emotionaler Gesang, etliche Spannungsbögen, Geschwindigkeits- und Lautstärkewechseln und natürlich massivem Keyboardeinsatz. Letzterer ist mir bei vielen Bands ein Dorn im Auge und spült die an sich recht harte Musik ungewollte weich. Im Fall von DRAGONLAND wird die Orchestrierung aber vergleichbar mit der von Bands wie Symphony X oder Kamelot wunderbar in die Musik eingebettet, bzw. andersherum.
Im ständigen Wechsel zwischen Hoffen und Bangen, aber immer äußerst emotional, wird nun die Geschichte mit Hilfe aller musikalischer Klischees weitergesponnen. Doch DRAGONLAND packen mit zunehmender Spielzeit immer wieder eine Schippe drauf. Durch den Einsatz verschiedener Sänger (u.a. Musical Sänger Fred Johanson, Elize Ryd, Jake E. und Andy Solveström von Amaranthe) nimmt das anfänglich als opulente Metalscheibe gestartete Album fast schon Dimensionen wie Tobias Sammets Avantasia Opern an. Immer wieder wird die Geschichte (auch innerhalb einzelner Stücke) von unterschiedlichen Sprechern weitererzählt und verleiht dem Ganzen dadurch eine unglaublich dichte Atmosphäre. Was im Shufflemodus recht störend sein kann, entpuppt sich beim chronologischen Hören als kompositorische Glanzleistung. Einzige Kritikpunkte sind die manchmal etwas zu sehr in den Hintergrund gemischten Gitarren, was zu einer stellenweise sehr glatten Produktion führt und die gelegentlich einen Tick zu euphorisch (oder um es böse auszudrücken: kindlich naiven) Melodien. Hier hätte etwas mehr Mut zu Rauheit und Düsternis gut getan.
Höhepunkt des Albums ist der Titelgebende 8 Minuten Track „Under The Grey Banner“ hier bietet DRAGONLAND nochmal alle Kräfte auf, versucht auf ergreifende Art und Weise die Spannungsbögen des Albums zusammenzuführen und aufzulösen. Leider verlieren sich die sechs Herren dabei etwas im Bombast, lassen dafür aber mit „Ivory Shores“ ein würdiges Ende vom Stapel und das Album mit einem Stück ausklingen, das jedem Fantasy-Film Soundtrack gut zu Gesicht stehen würde. Mit Metal hat das zwar nichts mehr zu tun, schön ist es trotzdem.
Wer gerne melodischen Metal im Stile von Sonata Arctica hört kann hier ebenso zugreifen wie Anhänger progressiverer Bands wie Symphony X oder Kamelot. Für DRAGONLAND definitiv begeistern werden sich aber alle Fans von Rhapsody Of Fire. Für mich eine der Power Metal Veröffentlichungen dieses Jahres: Große Emotionen, große Melodie von einer noch recht kleinen Band.
Wertung: 9 / 10