Review Dornenreich – Du wilde Liebe sei

Man kann DORNENREICH – je nach Musikgeschmack – vieles vorwerfen: ihre Abkehr vom Black Metal mit „Hexenwind“, ihre Rückkehr zum Black Metal mit „Flammentriebe“ – oder, ganz generell, ihre immer entrückter wirkenden textlichen Ergüsse. Eines jedoch gewiss nicht, nämlich kreativen Stillstand. Das stellen die Österreicher auch mit ihrer neuesten Veröffentlichung unter Beweis: „Du wilde Liebe sei“ heißt das Werk, das DORNENREICH einmal mehr in einem gänzlich neuen Licht erscheinen lässt – und genau damit so bandtypisch ist wie lange kein Album der Band.

Das zeigt sich schon bei den ersten Klängen von „So ruf’ sie wach das Sehnen“ – die da weder der Geige noch der Gitarre gehören, sondern Percussions. Wenig später dann doch gepaart mit hinreißenden Melodien auf Geige und Gitarre, aber auch dezent angezerrten E-Gitarren und Evigas Stimme, die herrlich zwischen Flüstern und Gesang chanchiert, zeigen sich DORNENREICH hier von einer ganz neuen Seite: nicht „nur“ lieblich, wie auf „In Luft geritzt“ – aber eben auch längst nicht so schroff wie auf „Flammentriebe“ oder auch „Freiheit“.

Den Percussions zum Trotz ist „In Luft geritzt“ am ehesten das Album, das als Referenz herangezogen werden kann. Ganz offensichtlich im minimalistisch instrumentierten „Das Geheimnis des Quellkosters“ – aber auch, wenn etwa in „In Strömen aus Verwandlung ein flackerloses Licht“ die Rastlosigkeit von „Jagd“ erglimmt, oder in „Liebes dunkle Nacht“ gewollt oder ungewollt die Geigenmelodie aus „Dem Wind geboren“ zitiert wird. Dazwischen greifen DORNENREICH mit „Dein knöchern’ Kosen“ ganz weit zurück: Mit seinem Mix aus bedrohlicher Ruhe und impulsivem Gesang lassen sich tatsächlich Parallelen zu „Her von welken Nächten“ ziehen – während die Instrumentierung mit Geige, Schellenkranz, Akustik- und etwas Zerrgitarre auch hier eher an die „mittlere“ DORNENREICH-Phase denken lässt.

Nicht nur durch die Instrumentierung mit den Percussions – auch durch den stimmvolleren Gesang schwingt auf „Du wilde Liebe sei“ mehr denn je eine Folk-Note mit: Besonders gilt das für das etwas arg schunkelig ausgefallene „Das Sehnen von Mond und Sonne“, in der Tendenz ist das aber auch schon am Gesang im Opener zu hören.

Wie eigentlich alles an „Du wilde Liebe sei“ ist auch das Geschmackssache – leicht machen es DORNENREICH dem Hörer mit dem Album nämlich sicher nicht: Mehr denn je klingen die Kompositionen „avantgardistisch“, bisweilen auch sperrig: Neben der Déjà-vu-Melodie in „Liebes dunkle Nacht“ und dem vergleichsweise eingängigen Opener gibt es diesmal kaum Melodien, die direkt ins Ohr fließen – wohingegen die quasi omnipräsenten und sehr weit in den Vordergrund gemischten Percussions nicht nur spannend, sondern – je nach Passage und persönlicher Stimmung – durchaus auch enervierend wirken können. Und ja, auch auf Evigas immer weiter abstrahierte Kunstsprache muss man sich einlassen.

Im richtigen Moment, in der richtigen Stimmung ist „Du wilde Liebe sei“ jedoch das vielleicht spannendste, künstlerisch komplexeste DORNENREICH-Album überhaupt: Trotz ruhigerer Klänge hat es wieder weit mehr Ausdruckskraft hat als das etwas zu vorhersehbare Vorgängeralbum „Freiheit“ – ohne dabei so friedvoll zu klingen wie „Durch den Traum“ oder „In Luft geritzt“. Ob nun ich wilde Liebe sein soll oder die wilde Liebe angefleht wird, zu sein – wer weiß das schon, außer vielleicht Texter Eviga? Fakt ist: Ich bin voll wilder Liebe für dieses anspruchsvolle Album, das das Konzept DORNENREICH einmal mehr nichts weniger als revolutioniert.

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Wertung: 8.5 / 10

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Ein Kommentar zu “Dornenreich – Du wilde Liebe sei

  1. Puh, bis jetzt nimmt mich das Ding echt nicht mit, ich hoffe, ich schaffe es noch, der Platte genug Durchläufe zu geben, damit sie zündet. Ich finde sie bisher nicht anstrengend, aber leider langweilig und irgendwie doch ein bisschen „überkonzeptioniert“. Ich meine, es ist ja ok, wenn man was zu sagen hat, das war bei Dornenreich bisher immer der Fall, aber unbedingt immer noch was oben drauf setzen zu wollen, geht nicht immer gut.

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