Bereits mit dem eineinviertelstündigen Vorgänger „And Shall The Sky Descend“ verlangten die Franzosen DIRGE dem Hörer einiges ab, denn der atmosphärisch-schleppende Sludge/Doom-Sound des Vierers ist alles andere als eingängig. Schon mit diesem Album musste man viel Zeit verbringen, um wirklich etwas damit anfangen zu können, aber mit ihrem neuen Output „Wings Of Lead Over Dormant Seas“ wird nochmal einer draufgelegt: Über 2 Stunden Spielzeit hat man vor sich (was natürlich auch nicht auf eine CD passt) und – wer hätt’s gedacht – auch diesmal ist Eingängigkeit ein Fremdwort. Dem Stil des vorangegangenen Werkes bleibt man selbstverständlich im Großen und Ganzen treu, lediglich die Produktion hat sich in einigen Teilen etwas verändert. Ein Minimalismus an Akkorden, Melodien und Gesang und schleppende Rhythmen, gegen die Isis oder Pelican fast wie Highspeed-Sludge wirken. Wie auch schon zuvor, legt man die Musik sehr auf Doom-Lastigkeit aus, wobei die charakteristischen Elemente natürlich nicht zu kurz kommen.
Schon beim eröffnenden Epos „Meridians“ werden alle Aspekte und Facetten der Musik deutlich. Die ersten sechs Minuten wird noch recht konventionell gearbeitet, will heißen langsame, melancholische Riffs auf tief gestimmten Saiteninstrumenten gepaart mit den typisch gequält wirkenden Vocals. Die nächsten sechs Minuten folgt dann das, was die Musik von DIRGE noch viel anstrengender macht als sie sein könnte, wenn sie wollte: Synthesizerklänge, Rückkopplungsgeräusche und hier und da mal ein Ton aus einer Gitarre sowie ein Becken auf dem Schlagzeug oder eigenartige Brummtöne erzeugen eine dreckige, postapokalyptische Stimmung, die man mag oder nicht mag. Auch das mit nicht einmal drei Minuten recht kurze „End, Infinite“ führt diese Stimmung fort und weiß aufgrund der Kürze auf Anhieb zu gefallen, auch wenn man es eigentlich eher als kurzen instrumentalen Einschub sehen muss. Wie gewohnt geht es dann bei „Epicentre“ weiter, das mit 15 Minuten schon wieder dem Dirgschen Standard entspricht und wieder die gleichen Elemente und Eigenarten aufweist wie alles vorangegangene, sich ins Gesamtbild einfügt, dennoch aber irgendwie abwechslungsreich und überzeugend wirkt, auch wenn mit dem größtmöglichen Minimalismus gearbeitet wird. Auch die folgenden Songs stehen dem in nichts nach, genauer nennen will ich aber noch das großartige „Nulle Part“, das so unglaublich viel Atmosphäre versprüht wie kaum andere Songs und schon Soundtrackcharakter hätte. Auch den – haargenau 60-minütigen – Titelsong will ich nicht unerwähnt lassen, denn hier wurde die Musik zusätzlich noch mit Bläsern unterstützt. Man würde es kaum glauben, aber der Song wird tatsächlich die eine Stunde konsequent durchgezogen. Zwar ziehen sich über lange Strecken „nur“ wieder die bekannten atmosphärischen Elemente, doch kehrt man immer wieder zu den härteren Klängen zurück. Nicht so wie bei vielen Bands, die einfach die komplette CD ausfüllen, um am Ende noch einen Bonustrack dranzuhängen.
So ist „Wings Of Lead Over Dormant Seas“ noch anstrengender, atmosphärischer, mitreißender – und natürlich länger – als sein Vorgänger. Doch für diese Art von Musik braucht man Zeit und Geduld und von beidem extrem viel. Ich kann allen Freunden von Postcore, Sludge und Doom in Hyperlänge nur raten, sich diese Band genauer anzusehen bzw. zu hören, denn was man hier geboten bekommt, ist unvergleichlich. Mein Respekt gilt auch dem, der es schafft, sich wirklich intensiv mit jedem Moment dieser CD genau auseinanderzusetzen, allen anderen lege ich ans Herz, diese Scheibe reinzuschmeißen und die Augen zu schließen.
Wertung: 8.5 / 10