Review Dimmu Borgir – Eonian (+)

Wenn Fans übertrieben lange auf ein neues Album ihrer geliebten Band warten müssen, kommt es nicht selten dazu, dass das Warten selbst zum Running Gag wird. Treue Tool– und Wintersun-Fans können ebenso ein Lied davon singen wie jene von DIMMU BORGIR. Doch während Tool noch immer auf sich warten lassen, ziehen DIMMU BORGIR mit Wintersun gleich und veröffentlichen nach ebenfalls acht langen Jahren Wartezeit endlich ihr neues Werk. „Eonian“ heißt die Scheibe, die damit – wie auch schon der Vorgänger „Abrahadabra“ – erneut mit der lange bestandenen Konvention der aus drei vollkommen zusammenhangslosen Wörtern zusammengebastelten Albumtitel aus früheren Jahren bricht.

Doch das ist nicht das einzige, was DIMMU BORGIR im Jahr 2018 anders machen. Groß waren der Schock und die Enttäuschung, als die erste Single „Interdimensional Summit“ veröffentlicht wurde. Von vielen spöttisch als eine Art „Black Metal meets Nightwish“ bezeichnet, trafen hier – statt den sonst üblichen, ausgeklügelten sinfonischen Elementen – poppige Streicherhooks auf eine mehr an Gothic als an Black Metal erinnernde Musik. Nicht nur das: Darüber hinaus dominierten theatralische Chorgesänge das Stück. Ein Gimmick, an dem die Band wohl durch ihr Konzert „Forces Of The Northern Night“ großen Gefallen fand. Wie aber sieht es bei den restlichen Songs auf „Eonian“ aus?

Wer sich mit der Idee der Chöre nicht anfreunden kann, kann die Platte auch gleich wieder weglegen. Im Versuch, ihren markanten, ehemaligen Clean-Sänger ICS Vortex zu substituieren, setzen DIMMU BORGIR jene Chöre in jedem einzelnen Song ein – und zwar so exzessiv und dominant, dass Sänger Shagrath nicht selten zur Nebenfigur degradiert wird. So kommt man sich zeitweise vor, als hätte man nebenbei noch Howard Shores (wesentlich spannendere) Filmmusik zu „The Lord Of The Rings“ im Hintergrund laufen.

Zwar wäre es auch eine Option gewesen, direkt einen anderen Sänger zu engagieren. Was beim ersten Durchlauf aber vielleicht noch für verdutztes Kopfschütteln sorgt, erweist sich bei genauerer Betrachtung als nachvollziehbare und konsequente Fortführung der Banddiskographie. Tatsächlich ist „Eonian“ nämlich nicht an jenem orchestralen Black Metal aus ihrer frühen 2000er Ära interessiert, sondern funktioniert mehr als eine Art extremere Form von Dark Metal. Blastbeats und Doublebass sind zwar noch stellenweise vorhanden, werden aber nicht selten von Passagen in den Hintergrund verbannt, die – statt der üblichen E-Gitarren – auf Keyboard mit Schlagzeug setzen. Gleich der sehr gelungene Opener „The Unveiling“ macht von diesem Stilmittel in der Strophe Gebrauch, ehe der mächtige Chor zu einem tragisch-epischen Refrain ansetzt. DIMMU BORGIR sind damit 2018 wohl im Endstadium zuckrigen Black-Metal-Kitsches angelangt und suhlen sich genüsslich darin.

Erstaunlicherweise geht das Konzept auf: Sei es das an den Extreme Metal von Mechina erinnernde Hochgeschwindigkeits-Blastbeat-Stück und Albumhighlight „Alpha Aeon Omega“ oder das eingängige „Archaic Correspondence“ – DIMMU BORGIR präsentieren hier durchaus ein paar Hits. Zweifellos mehr denn je auf Gefälligkeit getrimmt, aber eben auch weit entfernt von schlecht oder billig. In „ÆTheric“ packt die Band ein Groove-Riff aus, das Satyricon in nichts nachsteht, während sie in „Council Of Wolves And Snakes“ sogar mit schamanischen Kehlkopfgesängen experimentieren.

Was leider etwas enttäuscht, ist die Orchestrierung des Albums. So sind die Arrangements im Vergleich zu Alben wie „Puritanical Euphoric Misanthropia“ oder „Death Cult Armageddon“ nicht nur arg simpel, banal und wenig verspielt ausgefallen – auch auf ein reales Orchester wurde dieses Mal verzichtet, was man leider hört. Stattdessen bringt die Band einige Keyboard-Sounds aus ihren früheren Werken zurück, was zwar zu einigen wirklich tollen „Enthrone Darkness Triumphant“-Gedächtnismomenten führt, letztlich aber doch nur ein eher schwacher Trost für die fehlenden stilvollen, orchestralen Momente der Vorgängeralben ist.

Dennoch ist DIMMU BORGIR mit ihrer zehnten Scheibe „Eonian“ ein sehr unterhaltsames, theatralisches Album geglückt, das trotz der einen oder anderen Schwäche insgesamt durchaus empfehlenswert ist. Mit Sicherheit werden viele Hörer in der poppig-bombastischen Herangehensweise den endgültigen Tod der Band sehen. Wer sich allerdings mit der Entwicklung der Gruppe anfreunden kann und der Choridee eine Chance gibt, wird mit einem Album belohnt, das zwar sicherlich bei weitem nicht zu den besten ihrer Diskographie zählt, aber dennoch auch nach mehreren Durchläufen nicht langweilig wird und bei dem man sich dabei erwischen wird, die eine oder andere Melodie im Alltag vor sich hin zu summen.

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Wertung: 7.5 / 10

Publiziert am von Simon Bodesheim

5 Kommentare zu “Dimmu Borgir – Eonian (+)

  1. Es ist einfach nur so: Es ist völlig egal, wie viel Erfahrung ich in Sachen Metal habe. Bin ich nun der Freak, der alles schon gehört hat und jede Note kennt, oder höre ich gerade meinen ersten Song überhaupt. Egal. Was zählt, ist, ob mir die Musik gefällt. Wenn mir meine Attitüde das verbietet, o.k., dann halt nicht. Ich höre die neue Dimmu lieber als alle Vorgänger. Und wenn ich morgen Helene F. höre… scheiß drauf! Wer das Album verstehen will, auch aus der Perspektive der Band, der schaue das Interview von Barbara Caserta für LineaRock. Das wirklich sehr gut geführte Gespräch (merkbar am Auftauen von Shagrath und Silenoz, die endlich auch mal ehrlich was Gehaltvolles zu Protokoll geben dürfen) erhellt vieles und u. a. durchaus, warum eben kein echtes Orchester am Start gewesen ist.

  2. „ich bin mir nicht sicher wer von uns der bessere „langjährige Dimmu Fan OHNE rosarote fanbrille“ ist.“

    Ich jedenfalls nicht, fand die letzten beiden Alben eher mittelmaß. Eonian bietet weit mehr Dimmu mit Flexibilität über alles, was sie je gemacht haben (ein For All Tid kannst du mit dieser „Attitüde“ einfach kein zweites mal schreiben.)

    Ich finde den großteil der Einsätze des Vortex auf PEM nervend. „Kings Of The carnival Creation“ und „Sympozium“ sind allerdings meisterhaft umgesetzt, war bei DCA eh ziemlich froh, dass sie wieder ein wenig zurück gegangen sind und Vortex auf 2 Treffsichere Einsätze runter reduziert haben.

    SBD ist bei mir so ne Sache, hin und wieder kann ich mir die einfach nicht mehr anhören, weil die Platte den mit Abstand schlimmsten Keyboard Sound hat (das ist aber für mich auch der einzige Knackpunkt, die verwaschene Mischung finde ich sogar ziemlich gut, vor allem auf Vinyl kommt die Platte richtig gut)

    „Interdimensional Summit“ ist für mich nicht weniger „peinlich“ als ein „Mourning Palace“, für mich sind beide KEIN Highlight in der Discografie (auch wenn die Meinung natürlich viele nicht teilen), fand lediglich die Entscheidung, diesen Song im Chorus komplett vom Chor singen zu lasen ziemlich daneben. „I Am Sovereign“ dagegen mag ich sehr, vor allem weil er so zwischen den Stühlen sitzt (bin die meiste Zeit musikalisch eh bei anspruchsvolleren Bands unterwegs, die auch mal genregrenzen massiv über den Bord werfen)

    „Eonian wirkt dagegen wie eine Schlaftablette.“

    Ich finde im Gegensatz zum bewusst viel zu symphonischen Abrahadabra die Orchester-„Keyboards“ wirklich sehr zielführend eingesetzt, auch Gänsehaut habe ich seit DCA damals nicht verspürt (bei Eonian habe ich zwei/drei PAssagen, die ich dauernd hören könnte). Zuletzt beim Triplet (letzte drei Songs) von DCA wurde dermaßen gekonnt mit Athmosphäre gespielt.

    Ich bin froh, dass Dimmu ein Album geschaffen haben, dass die Gemüter so spaltet. Ein weiteres Abrahadabra hätte ich glaub nicht verkraftet, sowie ein erzwungenes ISD…

    „PEM und DCA waren DIE Alben bei denen es richtig geknallt hat.“

    DAS streitet keiner ab, diese Alben sind aber auch Ausnahmewerke in der eigenen Diskografie, allein schon durch die sehr sehr sehr death/thrashige Ausrichtung (was ganz besonders für PEM gilt (auch wenn ich den Schlagzeug-Sample Sound bis heute furchtbar finde) ). ISD hat zwar versucht, dies fortzusetzen, glänzte aber mit einigen der langweiligsten Songs der Geschichte der Band.

    Wie du siehst, keine rosarote Fanbrille. Dimmu gehört mit zu meinen Favoriten, haben sich aber bei weitem nicht immer nur tolle Songs / Alben rausgefeuert. Das über den Klee gelobte Enthrone Darkness Triumphant finde ich ebenfalls nicht von vorne bis hinten richtig gut, wenn es auch mir persönlich heute noch sehr viel mit Stormblast zusammen bedeutet. Bei Abrahadabra und ISD sind wir uns eh einig.

    Cheers!

  3. Hi Sascha,
    auch ich besitze alle Alben von Dimmu Borgir.
    Auch ich habe alle Alben in den vergangenen 24 Jahren wirklich sehr oft gehört.
    Und ich verstehe nicht wie man Eonian in der Discographie als Highlight bezeichnen kann.
    Spiritual Black Dimensions hat bei mir damals nach wenigen durchläufen sofort gezündet .
    Ein aufmerksames hören – wie in deinem Fall – war unnötig.
    Die Stimme von I.C.S Vortex wurde bei SPD, PEM, DCA perfekt eingesetzt.
    Und das Drumming von Nicholas Barker war auf PEM und DCA der absolute Hammer!
    Schade, dass die Drums auf DCA damals etwas in den Hintergrund geraten sind.
    PEM und DCA waren DIE Alben bei denen es richtig geknallt hat.
    Eonian wirkt dagegen wie Resteverwertung.

    Ich habe Eonian wirklich schon oft gehört, aber ich habe das Gefühl, dass ich alles schon einmal besser gehört habe.
    Dimmu Borgir waren bis Death Cult Armageddon voller Leidenschaft, Temperament und Authentizität.
    Jedes Album (bis auf In Sorte Diaboli und Abrahadabra) war eine Achterbahnfahrt der Gefühle.
    Auch die Parts von Mustis haben für viele Gänsehautmomente gesorgt.
    Angst, Trauer, Wut, Raserei… oft alles in einem Song verpackt.
    Eonian wirkt dagegen wie eine Schlaftablette.

    Die absolute Krönung der Unverschämtheit sind interdimensional summit oder „i am sovereign“ (wirklich peinlich in der gesamtdiscographie)

    Jedes Album von Cradle of Filth seit 2010 klingt besser und wirkt authentischer als Eonian.

    ich bin mir nicht sicher wer von uns der bessere „langjährige Dimmu Fan OHNE rosarote fanbrille“ ist.

    Eonian ist und bleibt neben In Sorte Diaboli und Abrahadabra für mich einfach nur Müll
    jedes andere Album ist und bleibt legendär

    das Minus Review ist vollkommen berechtigt

    die Grüße gebe ich gerne an dich zurück „Sascha“
    und ich bin ebenfalls ein langjähriger Dimmu Fan
    (OHNE rosarote Fanbrille) ;-)

    1. Sehr gute, objektive Review.

      Bei der Minus Review sitzt jemand, der irgendwas von Dimmu erwartet, was die Band einfach noch nie war. Fehlbesetzt mMn.

      Eonian ist für mich, subjektiv gesehen, eines der Highlights von Dimmu. Man muss es allerdings mehrmals anhören, aufmerksam, wie SBD damals.

      Für volle Punktzahl vermisse ich einfach, wie schon seit Jahren, Astennu, der die mit Abstand besten Dimmu Soli aller Zeiten rausgehauen hat.

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