Vor 14 Jahren wurde mit DIABLO SWING ORCHESTRA eine der wohl ungewöhnlichsten Metal-Combos überhaupt gegründet. Seit sie über den Emergenza-Contest ihren ersten Plattenvertrag bekamen und dort ihr meisterhaftes Debüt „The Butcher’s Ballroom“ veröffentlichten, machten sie es sich zur Aufgabe, die Grenzen des Metals auszuloten und zu überschreiten. Egal ob Swing, Jazz, Tango, Walzer, Mariachi-Musik, Musical, orientalische Klänge, Oper oder japanischer Fun-Metal: Die Band war sich noch nie für ein Experiment zu schade und erstaunlicherweise funktionierten ihre Stilmischungen mit ganz wenigen Ausnahmen immer hervorragend.
Nach der Veröffentlichung ihres letzten, ebenfalls grandiosen Albums „Pandora’s Piñata“ 2012 erreichte die Fans eine traurige Nachricht. Sängerin Annlouice Loegdlund, die für den weiblichen, meist im Opern-Stil gehaltenen Gesang zuständig war, verließ die Band 2014, um sich auf ihre Karriere als reine Opernsängerin zu konzentrieren. Als Nachfolgerin wurde Kristin Evegård angekündigt und bald darauf die Single „Jigsaw Hustle“ veröffentlicht, die nun auch auf ihrem vierten Album „Pacifisticuffs“ zu finden ist.
Mit dem Sängerinnenwechsel betreten DIABLO SWING ORCHESTRA nun gewissermaßen neues Terrain: Statt Operngesang bietet Evegård den Hörern eine beeindruckend breite Palette von quietischigen Pop-Vocals bis hin zu Jazz-Gesang. Nichtsdestotrotz: Mit Loegdlund verließ leider ein wichtiges Element des DIABLO-SWING-ORCHESTRA-Sounds die Band. Ihr Opernstil kontrastierte wundervoll mit dem eher klassisch gehaltenen Männergesang von Gitarrist Daniel Håkansson. Das kann selbst der technisch versierte Gesang Evegårds leider nicht ausgleichen, befindet sich ihr Gesangsstil doch insgesamt zu nah an Håkanssons.
Wäre das der einzige Kritikpunkt an der Platte, könnte man darüber problemlos hinwegschauen. Tatsächlich aber entpuppt sich „Pacifisticuffs“ musikalisch als mutlosestes Werk der Band. Statt wie noch auf dem Vorgänger größtenteils neue Dinge auszuprobieren, begnügt sich das Oktett damit, die innovativen Ideen des viel gefeierten „Pandora’s Piñata“ mit ungleich unmetallischerer Produktion wiederaufzuwärmen. Erneut gibt es mit „Knucklehugs (Arm Yourself With Love)“ einen Quatschsong, der dieses Mal Country-Musik statt japanischen Unfug bedient. „Superhero Jagganath“, der als eine Art Vorzeigesong für „Pacifisticuffs“ verstanden werden kann, verwendet dagegen ähnliche Marching-Drum-Patterns, wie sie auch schon in „Of Kali Ma Calibre“ zum Einsatz kamen.
„Ode To The Innocent“ ist der Evegård-Solo-Track, der allerdings im Vergleich zu Loegdlunds „Aurora“ ziemlich abstinkt. Am deutlichsten wird das Kopieverhalten bei „The Age Of Vulture Culture“, der sich sowohl strukturell als auch vom Groove her an die Fersen von „Guerrilla Laments“ heftet, ohne jedoch dessen gewaltige Zugkraft aufbauen zu können. Dennoch ist es dank seiner schmissigen Hooks und Beats der gelungenste Track des Albums.
Als vollkommen unsinnig dagegen erweisen sich die gleich drei Interludes und der Outro-Track. Verwendete die Combo dieses Stilmittel bisher immer schlüssig als Übergang zwischen zwei stilistisch sehr weit außeinanderliegenden Songs, ergeben die zum Teil einfach nur wahllos wirkenden Noise-Tracks hier überhaupt keinen Sinn und stören nur.
Während die erste Hälfte des Albums trotz allem ja doch erneut großen Spaß macht, kollabiert die Party in der zweiten Hälfte. Daran kann auch der obligatorische Boogie-Metal-Song „Karma Bonfire“ nichts ändern. Doch trotz allem sprüht „Pacifisticuffs“ auch in den weniger beeindruckenden Momenten noch von so enormer Kreativität und progressivem Geist, dass die Schweden die meisten ihrer Metal-Kollegen noch immer alt aussehen lassen. Und ab und zu kommt die alte Experimentierfreudigkeit dann doch zum Vorschein, etwa im eingangs erwähnten, tanzbaren Disco-Metal-Hit „Jigsaw Hustle“ oder dem wunderschönen, unverschämt eingängigen und verspielten „Lady Clandestine Chainbreaker“, die sich auch als Albumhighlights qualifizieren können.
Man muss bei der kritischen Betrachtung von „Pacifisticuffs“ im Auge behalten, dass man sich hier an einer Messlatte orientiert, die die Band selbst zuvor mit drei herausragenden Alben in schwindelerregende Höhen gesetzt hat. Obwohl DIABLO SWING ORCHESTRA hier ein nüchtern betrachtet ohne jeden Zweifel gelungenes Avantgarde-Metal-Album abliefern, muss ihre vierte Platte daher tendenziell als Enttäuschung gewertet werden. Wer zuvor die Grenzen so gekonnt neu auslegte, muss damit rechnen, dass Ideen-Recycling für viele Fans nicht ausreichen dürfte. Hörer, die mit den bisherigen Werken der Band nicht vertraut sind, werden auch mit Sicherheit wesentlich größeren Gefallen am verspielten Stil von „Pacifisticuffs“ finden. Für alle langjährigen Fans erinnert die Platte aber vor allem daran, wie toll „Pandora’s Piñata“ ist. Bleibt zu hoffen, dass das dem Umstand geschuldet ist, dass sich die Schweden erst mal mit der neuen Sängerin Kristin Evegård eingrooven müssen.
Wertung: 6.5 / 10