Review Devin Townsend Project – Addicted

Wir schreiben das Jahr 2009 – es neigt sich schon wieder dem Ende zu – und schon zum zweiten Mal in diesem Jahr liegt ein runder Silberling des DEVIN TOWNSEND PROJECT zur Rezension bereit. 2006 war es nach dem Ende der lauten, schnellen, von Gene Hoglans Double-Bass und Devins variablen Gesang sowie Gitarrenspiel geprägten Strapping Young Lad und dem Solo-Ausflug gen Konzeptgefilde mit Ziltoid, dem Alien der 4ten Dimension, erstmal Gegenstand zur Spekulation, was nun mit dem gewaltigen kreativen Output des inzwischen kahlköpfigen Kanadiers geschehen würde. Die Antwort bekommt die Welt inzwischen Stück für Stück als 4-teiliges Projekt präsentiert. Statt der Devin Townsend Band oder Solo-Projekten ist es das DEVIN TOWNSEND PROJECT, mit dem die Reise weitergeht. Während der Erstling „Ki“ unbekanntes Gebiet erkundete, dabei ruhig und pointiert, auch sehr persönlich war, bietet „Addicted“ bekannte Ingredenzien der langen Karriere ihres Schöpfers und macht doch einiges anders.

In einigen Interviews klang es so, als würde „Addicted“ ein lupenreines Pop-Rock-Album à la Nickelback werden. In Anbetracht des Ironie-triefenden Pünky Brüster Albums von 1996, wo Devin mit ein paar Kumpels den Punk-Rock in sich selbst persifliert, hätte das ein grandioser Spaß werden können, nährte aber auch Befürchtungen in die andere Richtung. Im Endeffekt ist „Addicted“ weder Satire noch pure Anbiederung an den Mainstream, sondern liegt wie so oft irgendwo dazwischen. Devin selbst beschreibt es als ein simples, direktes Album, das einfach nur Spaß machen soll, den Alltag mal vergessen macht und trifft damit ziemlich gut, was er selbst zusammengebastelt hat. Auffälligste Neuerung in der natürlich komplett ausgewechselten Band dürfte Anneke van Giersbergen sein, die in allen zehn Songs mit ihrer klaren Stimme eine äußerst gelungene Kontraposition zum scheinbar niemals erschöpften Stimmspektrum des Masterminds bildet. Musikalisch ist „Addicted“ tatsächlich in vielerlei Hinsicht einfacher geworden, bleibt aber dennoch ein Album, auf dem Townsend draufsteht und demnach auch Townsend drin ist.

So eröffnet der Titeltrack die folgenden 47 Minuten mit einer dicken Schicht tiefstgestimmter Gitarren, zu denen sich ein einfacher, aber energetischer Beat des Schlagzeugs gesellt, bevor Anneke und Devin mal abwechselnd, mal gemeinsam ihre Stimmen über dem Groove schweben lassen. Trotz weiblichen Gesangs und verhältnismäßig einfacher Struktur dürfte dieses Stück Musik niemals im Radio zu hören sein, denn scheinbar ist Mister Townsend gar nicht in der Lage, für die Masse zu musizieren. Die wiedergekehrte Wall of Sound aus Synthies, Chören, einer Gitarrenwand bis zum Mond und den omnipräsenten Drumpatterns sowie Schreigesang verhindern nach wie vor, dass sich die Melodien gleich festsetzen. Doch wenn sie es dann langsam tun, sind sie nicht mehr so schnell loszuwerden. Die Macht der Einfachheit, die dennoch dank all der kleinen Feinheiten, die sich nach und nach enthüllen, niemals langweilig wird. „Bend It Like Bender!“ zaubert ein fröhliches Lachen aufs Gesicht und animiert zum zappeln und das detailverliebte „Supercrush!“ wartet einerseits mit Passagen auf, die fast auf die „Physicist“ gepasst hätten, bietet andererseits aber auch eine der bisher besten Gesangslinien Devin Townsends, die von den vielfach gelayerten Gesängen Annekes unterlegt ist.

Überhaupt ist der Mann wieder bei gefühlten 50 Gesangsspuren pro Person, mindestens doppelt so vielen Gitarrenspuren, massenhaft mal dezenter, mal ins Gesicht springender Synthie-Effekte, einem grund-soliden Bass und fetten, groovigen Drums angekommen. Die Nähe zur Ocean-Machine-Scheibe und teilweise auch Ziltoid sowie den vielschichtigen, melodischen Solo-Alben im Allgemeinen ist einerseits unverkennbar und doch andererseits relativiert durch den starken Fokus auf direkte, klare Songs. Der Ziltoid-Silberling findet sich sogar durch eine verdammt gut gelungene Neu-Aufnahme der Hymne „Hyperdrive!“ vertreten, die in leicht anderer musikalischer Umsetzung und geschmückt mit Annekes grandiosem Gesang eine ganz neue Wirkung entfaltet und dem „Original“ in keiner Weise nachsteht, sondern ebenso eine Daseinsberechtigung hat.

Schrieb ich, dass die Stücke der „Addicted“ niemals im Radio zu hören sein würden? „Ih-Ah!“ straft diese Aussage lügen, denn eine so ruhige, balladeske, in simpler Schönheit strahlende Komposition könnte es tatsächlich gen Airplay schaffen und würde unter viel Einheitsbrei angenehm herausragen. „Addicted“ macht nach einiger Zeit tatsächlich ein wenig abhängig insofern, als dass die Melodien und Rhythmen sich immer tiefer erschließen, unter die Haut schleichen und einfach nur gern gehört werden möchten. Tatsächlich erschließt sich nach dem ersten Erklettern der Wall of Sound die Musik intuitiv statt bewusst aktives Zuhören zu fordern. Ausdrucksstark und prägnant fließen Riffs und sphärischer Gesang als ultra-melodisches Gesamtwerk über den Gehörgang ins Hirn und lassen auch mal den Alltag einfach Alltag sein, weil das Zuhören so angenehm ist. Grandios ist der Abschluss des Albums gelungen, den „Numbered!“ – nicht minder Melodie-lastig und dennoch härter als seine Vorgänger – einleitet und der in „Awake!“ einen fast 10 minütigen Höhepunkt erfährt. Ein Lied, das sich unaufhaltsam aufbaut zu einer gewaltigen Wolke und genauso unaufhaltsam, aber stetig wieder entlädt, um in ambientalen Klangwelten den Hörer wieder in die triste Welt zu entlassen.

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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