Im vergangenen Winter startete die – selbst für seine Verhältnisse – ambitionierteste Tour des kanadischen Tausendsassas DEVIN TOWNSEND: Gedacht als Auftakt eines drei Teile umfassenden Zyklus versammelte das Prog-Genie neun brillante Musiker um sich, mit denen er zum Teil zuvor noch nicht zusammengearbeitet hatte. Er verzichtete rigoros auf Backing Tracks und nahm sich vor, seinen „Backkatalog und auch das ‚Empath‘-Material mit den besten Musikern, die [er] finden [konnte], auf eine Art neu zu interpretieren, die unter Umständen jeden Abend anders aussieht. Weniger Computer und weniger starre Strukturen.“
Zusätzlich zu diesem an sich äußerst gewagten Unterfangen, das für DEVIN-TOWNSEND-Verhältnisse aber wohl nur eine kleine Übung zum Warmwerden ist, überrascht die Setlist: Entgegen der Erwartungen, die mit dem Namen der Tour einhergehen – „Empath Europe Volume 1″ – besteht diese nämlich nicht größtenteils aus Songs von „Empath“, sondern stellt das wildeste Potpourri an Tracks dar, die DEVIN TOWNSEND live bisher präsentierte. Die Setlist umfasst vier Songs vom Debüt des Devin Townsend Projects, „Ki„, zwei vom bombastischen Album „Epicloud“ und jeweils einen aus der Ära der The Devin Townsend Band sowie von seinem zweiten Album als Solokünstler. Dazwischen tummeln sich mit „Gigpig“ ein siebenminütiger Jam und mit „Disco Inferno“ sogar ein Cover des gleichnamigen Hits von The Trammps aus den 70er Jahren. Dazu eine Handvoll Tracks von „Empath“ und fertig ist die knapp 105 Minuten währende Show der Superlative namens „Order Of Magnitude“ – oder wie DEVIN TOWNSEND die Konzertbesucher begrüßt: „Für die nächsten zwei Stunden lade ich euch auf eine Urlaubsreise mit uns ein!“
Aufgenommen wurde „Order Of Magnitude“, das mittlerweile fünfte Live-Album von TOWNSEND, bei der vorletzten Show der „Empath“-Tournee, genauer dem Auftritt im Londoner The Roundhouse. 17 Tracks und eine dreiviertelstündige Dokumentation (nur auf der Blu-ray-Variante enthalten) warten darauf entdeckt zu werden, allen voran das Zusammenspiel dieser außergewöhnlichen Truppe an Musikern: Schlagzeuger Morgan Ågren, der bereits die Bühne mit Frank Zappa teilte, Mike Keneally, Gitarrist und Keyboarder von Joe Satriani, Ché Aimee Dorval von TOWNSENDs Nebenprojekt Casualties Of Cool oder Haken-Keyboarder Diego Tejeida – neben der eigentlichen Musik ist es vor allem das Miteinander dieser talentierten Köpfe, das „Order Of Magnitude“ so außergewöhnlich werden lässt.
Die gespielten Songs vom „Empath“, allen voran der Opener „Borderlands“, zeigen, wie gut die Tracks von DEVIN TOWNSENDs neuem Album auch live zünden. Im starken Kontrast zur längeren „Ki“-Einlage unterhält der Wechsel zwischen Prog und Ambient den Zuschauer und Hörer durchweg auf hohem Level. Natürlich könnte man sagen „schon wieder ’ne Live-Platte vom Townsend„, aber auch im vollen Bewusstsein, dass der folgende Satz eine abgedroschene Phrase ist: Diese Live-Platte ist anders als die anderen. Kein Vergleich zu „Ziltoid – Live At The Royal Albert Hall“ und erst recht nicht zu „Ocean Machine – Live At The Ancient Roman Theatre Plovdiv„. Also ja, man kann auch bei „Order Of Magnitude“ wieder bedenkenlos den Geldbeutel öffnen.
Wertung: 9 / 10