Im Dezember 2021 brachte DEVIN TOWNSEND zwei Alben heraus, die unterschiedlicher kaum sein konnten (Metal1 berichtete). Der Kanadier erklärte, dass die erste Platte „Snuggles [was] meant to be something you listen to in order to feel better”, wohingegen das zweite Album „The Puzzle“ einem “collaborative, multimedia art project” glich, das ihm „a chance to purge and be completely creatively free“ gab. Townsend bezeichnete beide Alben als ein Vorspiel für ein „more traditional album”, wobei die Frage gerechtfertigt ist, wann DEVIN TOWNSEND jemals etwas Traditionelles veröffentlicht haben soll.
Sei es drum, die Prog-Ikone bezeichnet die nunmehr elfte Veröffentlichung unter seinem bürgerlichen Namen vermutlich als genau das und tut „Lightwork“ damit nicht mal Unrecht. Denn entgegen der Erwartung, dass der „Empath“-Nachfolger ein Abbild kolossalen Wahnsinns sein könnte, beinhaltet „Lightwork“ ein wesentlich ruhigeres Temperament als sein Vorgänger. Nicht nur das, die Spielzeit von 56 Minuten fügt sich auch aus wesentlich homogeneren Tracks zusammen, als sie auf „Empath“ zu finden sind.
Grund dafür ist das Agieren Townsends im gesunden Mittel: Die Tracks sind weder reiner Metal (siehe „Ziltoid The Omniscient“) noch Ambient (siehe „Devlab“ oder „The Hummer“), sondern verbinden in jedem von ihnen die beiden konträren Komponenten. Insofern entpuppt sich „Lightwork“ als Fusion der beiden Genres, die Townsend seit Dekaden am Herzen liegen – und wird damit zum streitbaren Gegenstand möglicher Diskussionen darüber, ob der Ambient-Anteil die Songs an Kraft beraubt oder ob die elektronischen Klangteppiche durch das Gitarrengewitter schmerzhaft unterbrochen werden.
Das Sympathische an Townsend ist, dass er sich sicherlich weder über das eine noch über das andere im Vorfeld Gedanken gemacht hat. Genau dieses ungezwungene Komponieren hört man dem smooth groovenden Opener „Moonpeople“ ebenso an wie dem verspielten Prog-Hit „Dimensions“; dabei kann man kaum genügend Adjektive finden, welche die unterschiedlichen Gemütszustände und abrupten Motivwechsel pro Song adäquat beschreiben können. Was alle Tracks eint, ist das tragende, stimmungsvolle Element der Melodik, denn DEVIN TOWNSEND gelingt bei allen zehn Stücken dieser erhabene Moment, in dem sich die Haare auf dem Unterarm aufstellen und der Gesang direkt ins Mark trifft.
Trotz dieser mächtig melodiösen Refrains und der ultradichten Soundscapes kommt die Abwechslung auf „Lightwork“ nicht zu kurz, sondern zeigt sich in so gigantischen, unkonventionellen Liedverläufen wie bei „Heavy Burden“ oder in Stimmungswechseln wie bei „Lightworker“, an dessen Ende Townsend in feinster Strapping Young Lad-Manier keift. Riffliebhaber kommen dabei ebenso auf ihre Kosten („Equinox“, „Heartbreaker“) wie Freunde der Akustikgitarre („Vacation“).
Dennoch ist bei all der – ausufernden, aber trotzdem nie überfrachteten – Liebe zum Detail und den sich zigfach überlagernden, enorm facettenreichen Tonspuren eines für alle Tracks gleich: die erhabene Stimmung. „Lightwork“ fühlt sich wie ein 56 Minuten währendes Hochgefühl an, welches das sonst so drastische künstlerische Ausleben Townsends zugunsten einer durchgängig gehaltenen, mitreißenden Stimmung unterbunden hat. Wenn man das zu schätzen weiß, hat es DEVIN TOWNSEND erneut geschafft, vollends zu verzaubern.
Wertung: 9 / 10
„Das Sympathische an Townsend ist, dass er sich sicherlich weder über das eine noch über das andere im Vorfeld Gedanken gemacht hat.“ Da kann ich nur zustimmen. So durchgeplant und überlegt die Songs am Ende klingen, wirken sie alle so, als würden die Ideen dazu einfach auftauchen und aus ihm heraussprudeln. Das macht sein gesamtes Schaffen so spannend und künstlerisch wertvoll. „Lightwork“ ist in seiner ruhigen Art ein unglaublich emotionales und berührendes Album und ein absolutes Highlight.