Ob man den Trupp nun wirklich kennt oder nicht, über ein paar Ecken dürfte jeder schon mitbekommen haben, dass DESPISED ICON vor allem eines voll verinnerlicht haben, und das ist die hohe Kunst des ausdauernden Voll-aufs-Maul-gebens. „The Healing Process“, „The Ills of Modern Man“, „Consumed By Your Poison“ – alle führen exemplarisch vor, wie es funktioniert, mit einem ziemlich gnadenlosen Mix aus Hardcore und Death Metal ordentlich die Kauleiste zu schrubben. Und jetzt will man also mit „Day of Mourning“ wieder ran und die Montrealer Schlagkraft ein weiteres mal unter Beweis stellen.
Zu Beginn klappt das gar nicht mal so gut, da wird zwar geballert, was das Zeug hält und ein gewisser „Hier wächst kein Gras mehr“-Effekt lässt sich auch nicht leugnen, aber so richtig ins Ohr will das nicht. Nein, die wirkliche Begeisterung entwickelt sich sicher nicht gleich beim ersten Hördurchgang. Nach der ein oder anderen Stunde mit der CD, wenn man mal ein Gespür dafür bekommen hat, wie DESPISED ICON ihre Songs angehen, kapiert man langsam aber sicher, dass in diesen viel mehr steckt, als sie auf den ersten Blick und auf den Konzerten offenbaren. Da verstecken sich nämlich, neben einigen echt fetten Hardcore-Grooves auf die eher Deathcore-typische Sweeps folgen („Les Temps Changent“) auch einige wirklich coole Melodien, die sogar etwas wie Endzeitstimmung vermitteln können. Überhaupt ist das Material für Genre-Verhältnisse ziemlich abwechlsungsreich und interessant ausgefallen, was den (für Alt-Fans der Band wohl nicht ganz so) überraschenden Schluss zulässt, dass sich technisch versierter, aber nicht unbedingt unmelodiöser Death Metal und Aggro-Hardcore ziemlich gut verstehen. Da wird einem über weite Strecken keine Sekunde Ruhe gelassen, entweder es hagelt alle paar Sekunden ein neues Riff oder eine neue Schlagzeugrhythmik, und dennoch funktioniert das so viel besser als bei etwa den Kollegen von Suicide Silence, die es einfach verpassen, den Hörer mitzureißen. Und wenn „Day of Mourning“ doch mal kurz zur Ruhe kommt, dann nur um eine übelst plättende aber trotzdem stimmungsvolle Melodie zu präsentieren (natürlich als Highspeed-Riff getarnt). Verpackt ist das ganze in einen fetten, warmen Sound, den man in dieser Form eher von Überproduktions-Kandidaten aus dem Death Metal kennt, der für die dargebotene Mucke aber äußerst interessant und passend, wenn auch ungewohnt klingt.
DESPISED ICON überraschen also durch den Umstand, dass „Day of Mourning“ zwar tatsächlich gut austeilt, man aber geneigt ist, diesen Fakt eher zu vernachlässigen angesichts der verdammt gut durchgeplanten Songs. Dass ein Album dieses Sektors, der doch eigentlich wirklich nur zum aktiven Aggressions-Abbau geeignet ist, durch Einzelsongs, Strukturen und Melodien zu überzeugen weiß, ist doch eine sehr erfreuliche Sache. Wer auf neuere Hatesphere oder etwa Severed Savior abfährt, kann ebenso mal reinhören wie wenn Cattle Decapitation oder Aborted das Maß aller Dinge sind, einen gemeinsamen Nenner haben DESPISED ICON mit allen irgendwo.