Derek Sherinian. Ein Mann und sein Keyboard. Eine glückliche Ehe auf Lebenszeit. Er ist einer der letzten ganz großen Poser und Glamrocker dieser Erde. Genau deshalb dauerte sein Gastspiel bei Dream Theater im vergangenen Jahrzehnt auch genau zwei Scheiben, er spielte nämlich auf der EP „A Change Of Seasons“ und dem Studiowerk „Falling Into Infinity“. Danach flog er raus, weil er, wie Drummer Mike Portnoy mal in einem Interview erzählte, der Meinung war, dass alles so gemacht werden müsse, wie er es wolle.
Aber diese Geschichte soll nur als Einleitung dienen. Nach seinem Rausschmiss bei der größten Progmetal-Band der Gegenwart, verdiente sich Sherinian seine Brötchen mit dem Fusion-Jazz-Progmetal-Projekt „Planet X“, zusammen mit Virgil Donati und Tony MacAlpine. Heraus kam seelenlose Frickelei, der man einen gewissen Anspruch und eine gewisse Coolness aber nicht absprechen kann. Und nun kommt mit „Blood Of The Snake“ sein schon viertes Soloalbum. Mir scheint, der Mann möchte uns etwas mitteilen!
Nur was? Hört man die zehn Titel der neuen Scheibe, fragt man sich das wirklich. Will er beweisen, dass er immer noch der coolste Poser und Synthiefrickler vor dem Herrn ist, dass er ein anerkannter Musiker ist, weil er mit lauter namhaften Größen/Posern (zum wiederholten Male) zusammenarbeitet? Oder will er gar beweisen, dass er keine interessanten, kohärenten Songs schreiben kann und für einen geplanten Chart-Achtungserfolg Legenden wie Billy Idol braucht, um mit ihnen einen uralten Klassiker namens „In The Summertime“ völlig sinnlos neu aufzulegen?
Wahrscheinlich ist an all dem ein Quentchen Wahrheit dran. „Blood Of The Snake“ bietet in seinen 52 Spielminuten jedenfalls relativ wenig aufregende Kost. Am Anfang des Albums steht die ziellose Progmetal-Fricklei „Czar Of Steel“ (auf der komischerweise sein alter „Kollege“ John Petrucci mitspielt) und eine Hardrock-Durchschnittsnummer namens „Man With No Name“ (auf der Zakk Wylde singt wie Ozzy Osbourne), gefolgt von dem leicht abdrehten Jazz/Fusion-Instrumental „Phantom Shuffle“, mit Simon Phillips. Im Mittelteil der Scheibe gibt es dann tatsächlich Nummern, die zumindest ein Quentchen Atmosphäre und Stimmung besitzen und stilvolles Songwriting aufweisen. Wir sprechen hier von „Been Here Before“, welches mit gelungenen Slidegitarren auftrumpfen kann, sowie vor allem vom gelungenen Titeltrack, der nach einem atmosphärischen Ambient-Intro in rasente Progmetal-Frickelei mit Hammondorgel übergeht, dann coole Synthiesounds und Doublebass präsentiert und in einem schwermütigen Mellotron-Part endet. Vielleicht geringfügig zu lang, aber im Grunde wirklich nett, eine Überraschung! Auch das nachfolgende „On The Moon“ weiß mit seinen warmen Saxophon-Klängen zu gefallen, auch wenn ich mich unfreiwillig an so manche Hintergrundmusik für softe „Liebesfilme“ erinnert fühle. „The Monsoon“ rockt relativ hardrockig-gradlinig und macht auch relativ viel Laune. Doch nach dem starken Mittelteil hält nun wieder die Langeweile einzug: „Prelude To Battle“ hat ungefähr genauso viel mit Krieg zu tun wie Coldplay mit Heavy Metal und besteht aus sinnlosem, psychedelischem Atmo-Gefiedel mit Buschpercussion, während der Krieg im sich anschließenden „Viking Massacre“ wieder mal im typischen Progmetal-Frickelmodus mit massig durchschnittlichem Geriffe, verhaltenem Bombast und reichlich Doublebass durchexerziert wird. Wenig mitreißend. Das „Highlight“ hat sich Sherinian allerdings bis zum Schluss aufgehoben. Nichts hätte schlechter an das Ende dieser Scheibe gepasst als diese Coverversion von „In The Summertime“, die nach abendlichem Spaß im Pub um die Ecke klingt. Ein schlechter Witz! Der Song kommt auch noch als Single raus!
Am Ende bleibt also vor allem die Erkenntnis: Sherinian will mal wieder alles und erreicht nur wenig. „Blood Of The Snake“ ist dabei stilmäßig äußerst variabel, was aber zur Folge hat, dass das Album nicht ansatzweise wie aus einem Guss wirkt. Mittelmäßige Hardrocker wie „Man With No Name“ und peinliche Chart-Hit-Gehversuche wie „In The Summertime“ sollte er demnächst auch besser lassen, das schadet seinem Image nur noch mehr. Die vier Tracks im Mittelteil wissen zu gefallen und geben dem Hörer eine Ahnung davon, was möglich wäre, wenn man sich zu etwas mehr „Song“-Writing hinreißen lassen würde. Leider können sie im Albumkontext ihre Wirkung nicht entfalten, ohne die anderen Songs wären sie locker bis zu 8.5 Punkte wert. Was dem Album weiterhin fehlt sind ordentliche Vocals, denn Gesang gibt es nur in zwei von zehn Nummern, und der ist auch noch unterirdisch ausdruckslos. Nein, Mr. Sherinian, bis zum Prog-Himmel ist es noch ein ganzes Stück!
Wertung: 5.5 / 10