„In den vergangenen 30 Jahren habe ich mich immer wieder gefragt: Welche neuen Bands mag ich? Und normalerweise war die Antwort: Keine!“ hat Jaz Coleman, seines Zeichens Sänger der Post-Punk-Legende Killing Joke, im Rahmen eines Interviews erklärt. Bis zum 15. November 2016 sollte die Aussage ihre Gültigkeit behalten, doch dann lernte Coleman ein italienisches Duo, welches sich dem (instrumentalen) Industrial Metal verschrieben hatte und nun als Support der Briten in Rom spielte, kennen: DEFLORE. Nach dem Konzert hinterließ Coleman den beiden eine handschriftliche Notiz mit dem Vermerk „I love you guys“ – und seinen Kontaktdaten. Zwölf Monate später schließlich fanden sich Jaz Coleman, Christian Ceccarelli (Bass, Synths) und Emiliano Di Lodovico (Guitar, Synths) in Colemans Faust Records Studio in Prag ein, um gemeinsam Songs zu schreiben.
Das Resultat dieser Zusammenarbeit liegt nun in Form einer drei Tracks umfassenden EP namens „Party In The Chaos“ vor – und kann sich hören lassen. Der gleichnamige Opener gibt die Marschrichtung vor: Klassischer Industrial-Metal, der vor allem vom Riffing her an frühe Ministry erinnert. Colemans Gesang ist unverkennbar und unterscheidet sich kaum von seiner Arbeit mit Killing Joke. Instrumental schaut das Ganze schon anders aus: Gerade der Drumcomputer, für DEFLORE charakteristisch, dürfte eins der Hauptunterscheidungsmerkmale sein.
Der zweite Track zeigt eine andere Facette des Schaffens des Trios: „Sunset In The West“ ist ein knapp achtminütiges Instrumental, bei der Coleman lediglich am Flügel sitzt. Durchaus atmosphärisch handelt es sich bei dem Song um die Nummer, die den vorangegangenen DEFLORE-Releases am ähnlichsten ist. Grundsätzlich ein gelungenes Stück Musik, höchstens ein bisschen lang geraten – das ist aber Meckern auf hohem Niveau. Der letzte Song „Transhuman World“ ist wieder ein klassischer clubkompatibler Industrialstampfer mit Coleman am Mikrofon und vielleicht das Highlight auf „Party In The Chaos“. Hat ein bisschen was von frühen Oomph! und das ist definitiv positiv gemeint.
Wer sich mit den vorangegangenen DEFLORE-Releases, allen voran das 2010er Meisterwerk „2 Degrees Of Separation“, beschäftigt hat, dürfte den beiden Italienern einen runden, differenzierten, aber durchaus digitalen Sound attestieren. Hier macht sich auf „Party In The Chaos“ Colemans Einfluss bemerkbar: Die Aufnahmen aus seinem Prager Studio klingen wesentlich analoger und trotz massivem Synthesizer- und Samplereinsatz auch wärmer als besagte Vorgängeralben.
„Party In The Chaos“ ist eine tolle Platte geworden und vereinigt das Beste aus unterschiedlichen Welten (davon ausgehend, dass Killing Joke und DEFLORE, obwohl irgendwie demselben Genre angehörig, ziemlich unterschiedlich klingen). Düster und atmosphärisch machen die drei Songs definitiv Lust auf mehr und man darf hoffen, dass die Kollaboration weiter fortbesteht und „Party In The Chaos“ vielleicht nur der Appetizer für ein vollständiges Album ist. Bitte mehr davon!
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