Immer diese Philosophie! Machen wir uns nichts vor: Ob nun wütende Koalas in den Himmel gucken und sich denken „Du nich‘!“, oder ob sie sich vorher noch fragen, ob das dünne Gehölz, in dem sie da stehen, weiß, dass es ein Wald ist – das spielt im Grunde keine Rolle. Fakt ist, und das ist etwas Gutes: Der Black Metal hat sich in den letzten 30 Jahren nicht nur musikalisch enorm weiterentwickelt, auch die Themen sind längst nicht mehr vom Monopol durch Tod, Pest und Teufel bestimmt. Natur, Kosmos, Schmerz, Heilung – all diese Dinge werden heute auch im schwärzesten aller Metal-Genres thematisiert. DECLINE OF THE I fügen sich mit ihrem philosophischen Konzept nach Søren Kierkegaard dabei fantastisch ein.
Wilhelm ist das mittlerweile fünfte Album der Formation und bildet den zweiten Teil einer Trilogie, die 2021 mit „Johannes“ ihren Anfang nahm. „L’Alliance De Rats“, der Opener, erinnert mit breitwandigem Riffing stark an The Great Old Ones – was wenig überrascht, wenn man sich mit dem Inspirateur von Wilhelm befasst. Das lässt zumindest Gedankenstriche zu. Toll kontrastiert wird das Stück durch einen ruhigen Zwischenpart mit Cleangesang und Streichern.
Doch schon das zweite Stück spaltet die Erwartungshaltung des Schreibers. Denn der Widerspruch, den „Entwined Conundrum“ allein mit seinem Namen darstellt, durchzieht den gesamten Titel. Die lose Verflechtung von Post-Black-Metal mit Germ-Screams und ulveresken Industrial-Elementen ist zwar ansprechend, wirkt aber etwas formlos.
Und dann denkt man sich: „Was wollen denn jetzt Aborym hier?“ Die seichten Industrial-Vibes von „Diapsalmata“ erinnern ein wenig an die besten Momente aus Aboryms „Hostile“. Der gefällige, durchaus stimmige Post-Black-Metal im Hochgeschwindigkeits- bis Downtempo-Bereich kontert einerseits sehr gut den ruhigen Beginn und garantiert Abwechslung. Wenn dann zum Ende der neuen Scheibe noch Chöre das ohnehin schon verschrobene Konzept andicken darf man sich fragen, was für ein Querkopf wohl dieser Søren gewesen sein muss. Mit viel Fantasie kann man hier ein wenig Batushka-Gefühl zulassen, denn die schönen schwarzmetallischen Melodielinien und die bewusste Verwebung von Einzelteilen zu einem Ganzen, machen „The Renouncer“ zu einer gelungenen Sache.
Die finale Konklusion: DECLINE OF THE I sind absolut versierte Musiker. Sie liefern mit Wilhelm ein durchaus spannendes Album ab, das sich – gemessen an den Widersprüchlichkeiten, die schon der Inspirateur Søren Kierkegaard hochhielt – nicht immer stimmig anfühlen mag. So besitzt das Album viele starke Momente, geht aber mit seinen stilfremden Elementen teilweise noch etwas zu willkürlich um, als dass man die musikalische These der Band unangefochten lassen könnte.
Wertung: 7 / 10