DEADSOUL TRIBE!? Was für seltsamer Name für eine Rockband!? Wie es genau dazu kam, dass Devon Graves seit 2001 seine Soloprojekte unter diesem Synonym veröffentlicht, ist mir leider nicht bekannt. Wer aber seine ehemalige Band Psychotic Waltz kennt und zudem weiß, dass Devon sich früher gerne Buddy Lackey nannte, der wundert sich nicht mehr über die leicht verquere Art des Wahlwieners aus den USA.
Artwork, Songtitel und Grundstimmung seiner bisherigen Soloalben „Dead Soul Tribe“ (2001), „A Murder Of Crows“ (2003) und „The January Tree“ (2004) erscheinen auf den ersten Blick dunkel und morbide. Wer den sympathischen Glatzkopf jedoch nur einmal live gesehen hat, wird ihn für immer in Erinnerung behalten. Devon ist einer der wenigen Musiker, die es auch heute noch schaffen, mit jeder Note, mit jedem einzelnen kleinen Moment, mit jedem Detail ihrer Gestik und Mimik eine unvergleichliche, faszinierende Aura um sich zu schaffen und so unheimlich ausdrucksvoll zu sein, dass einem Angst und Bange werden kann. Dabei meint es der Mann doch gar nicht so: Hinter all den dunklen Klanggebilden, die er seit Jahren auf die schnelllebige, abgestumpfte Konsumgesellschaft loslässt, versteckt sich nichts anderes, als der instinktive Ruf eines Künstlers nach mehr Lebendigkeit und Emotionalität. Der Ruf nach Menschlichkeit und der Wunsch, einen Ausweg aus unserem so zwangsweise geregelten Leben zu finden. Der Wunsch, einmal Zeit zum wirklichen Leben zu finden! Jeder fühlt sich mal allein. Jeder sehnt sich nach Wärme. Ja, so ist das!
Mit progressivem Rock oder gar Metal hat dies hier, meiner Meinung nach, gar nicht allzu viel zu tun. Die elf Songs auf „The Dead Word“ kommen gerade mal auf eine Gesamtspielzeit von gut 47 Minuten und sind durchgehend recht kurz gehalten. Devon schafft es nunmal, seine Gedanken sehr akzentuiert und gebündelt auszudrücken. Wir haben keine Zeit für überflüssiges Geplänkel. Die Musik hat sich seit dem Solodebüt im Grunde auch nicht allzu stark verändert, man nimmt lediglich feine, aber wichtige Verbesserungen vor. Devon Graves ist sein eigener Herr, spielt Gitarre, Bass, Keyboards und Flöte und übernimmt natürlich auch noch den Gesang. Wer den Herren noch niemals hat singen hören, hat definitiv einen der sympathischsten, ausdrucksreichsten und einfach „rundesten“ Stimmen im Bereich der anspruchsvollen Rockmusik verpasst. Graves hört man aus 100 Stimmen absolut problemlos raus. Für seine Musik gilt Ähnliches: Die hypnotisierende Mischung aus treibenden Riffgitarren, polyrhythmischen Schlagzeugfiguren, den unheimlich intensiven Lyrics und der teilweise sehr tribal- und ethnoähnlichen Stimmung nehmen den Hörer definitiv gefangen. Gebannt lauscht man den exquisiten, betörenden Tönen und dieser hoffnungsvoll-wehleidig klagenden Stimme und kann sich dem erst entziehen, wenn die Platte durchgelaufen ist.
Und dann ist da natürlich noch die Flöte. Das Instrument von Buddy Lacky. Für meinen Geschmack setzt er es viel zu selten ein. In dem musikalischen Kontext bringt es einfach soviel Farbe, Licht und Hoffnung in die Songs, dass es ein für mich unverzichtbarer Teil seiner Musik geworden ist. Konkrete Anspieltipps kann man eigentlich nicht wirklich benennen, ein paar Songs möchte ich dennoch hervorheben. Track 3, „To My Beloved…“, besticht durch seine schönen Percussionelemente, interessantes Bassspiel und einen grandiosen Chorus. Aus songwriterischer Hinsicht ist zudem „Some Sane Advice“ mit seiner hier mal akustischen Gitarre schlicht ein Musterbeispiel für gelungene Melodiebögen. „Waiting In Line“ fasst in seinen sechseinhalb Minuten all das, was Deadsoul Tribe ausmacht, zusammen. Einfach hören und staunen! Ich wette, dass euch der Refrain noch Tage begleiten wird. So einfach, so simpel. Aber prägnant! Garniert wird das Ganze dann durch einen (leider viel zu) kurzen Flöteneinsatz. Wer mehr davon möchte, höre das Solo im abschließenden „The Long Ride Home“. Was Devon Graves eigentlich sagen will, kommt dann in „Someday“ zu Tage. Nur seine Stimme, ein Flügel und ein paar Streicher! In noch nicht mal zwei Minuten ist alles gesagt! Die anderen Tracks stehen den genannten im Grunde genommen in Nichts nach.
Nur ein kleines Problemchen sollte der ehemalige Walzertänzer noch in den Griff kriegen: Seine musikalische Ausdrucksweise ist zwar ungemein prägnant und einzigartig, vom Stil und Sound her betrachtet aber auch recht eingeschränkt. Nach 47 Minuten bin ich schon mehr als gesättigt. Und da es noch drei andere Alben mit ähnlicher Musik gibt, rate ich auch hier wieder: Einnahme in geringen Dosen empfohlen. Bei Übersättigung fragen sie ihren zuständigen Plattenladen oder Metal1.Info!
Wertung: 8 / 10