Review Dawn of Tears – Descent

Umsonst. Was bekommt man denn heute noch umsonst? „Mach die Augen zu und du siehst es!“ – jaja… Nicht nur deshalb bilden die Spanier von DAWN OF TEARS mit ihrem auf der Homepage frei zum Download stehenden Album „DESCENT“ eine angenehme Ausnahme. Die 1999 in Madrid gegründete Melodic Death Metal Band ist mit ihrem ersten Album zumindest in Deutschland noch nicht wirklich bekannt. Gleichwohl waren die Herren – ihre Vornamen beginnen übrigens allesamt mit „J“ – am 10.10.07 als Vorband für Dimmu Borgir in Madrid unterwegs.

Bringen wir etwas Licht in das Dunkel „Dawn of Tears“. Der Opener „Blaspheme Natured Messiah“ startet mit einem leichtem Regenschauer, Wassertropfen die sich am Boden sammeln. Mein erster Gedanke: da will jemand Atmosphäre erzeugen. „Aber halt: erstmal abwarten“, sag ich mir. Stimmung kommt tatsächlich erst auf, als die beiden Gitarren mit dem ersten Riff der Scheibe starten. Schnell wird klar: J. Trebol und J. Nieva umspielen sich gegenseitig. Das, addiert mit dem grundehrlichen Spiel des Drummers erschafft ein sehr dichtes Klangbild, welches nur von Sänger J. Alonso durchbrochen wird. Der shouted und growlt sich durch alle neun Songs, wird aber nicht auch nur eine Spur langweilig. Wenn es heißt, an den Chorus zu gehen sichert er sich die gesangliche Unterstützung seiner Bandkollegen und wird je nach Text eine Spur ruhiger oder härter. Shouting und Growling kommen auf Descent gleichermaßen zum Einsatz. Wie sich all das bestenfalls entfalten kann, ist beispielhaft für die anderen acht Titel auf dem Opener zu hören: beim Zusammenspiel von Gitarren und Drums entsteht unwillkürlich der Eindruck eines donnernden Fuhrwerks, das über den Kopf des geneigten Hörers hinweg brettert. Eine melodische Gerölllawine bahnt sich ihren Weg ins Tal und reißt unterwegs alles mit, das sich ihr in den Weg stellt.

Songs wie „The Pit and the Pendulum“, „Lost Verses“ und „Poisoned Minds, Shattered Hearts“ wissen vor allem durch die klaren Strukturen von Gitarren, Gesang und Drums zu überzeugen. Dabei zaubern sich die beiden Gitarreros durchweg höhrenswerte Licks aus dem Ärmeln und entlocken ihren Instrumenten so manche technisch ausgereifte Soli, ohne dabei langatmig zu wirken.

Kommen wir zu einem weiteren Höhepunkt: dem Schlusslicht „Blood on Verona“. Zuerst sei gesagt: verstecken muss es sich hinter seinen Vorgängern keineswegs. Das (bei einer Gesamtspielzeit von 58:11 Minuten) 14:35 Minuten lange Lied beginnt mit einem Piano-Intro und schöner Frauenstimme (die vermutlich der ehemaligen Keyboarderin Charly gehört). Die vermeintliche Ruhe währt nicht lange: die Drums setzen ein, das Tempo wechselt. Wir begeben uns nun auf eine Geschichtsreise ins Verona der Renaissance. Zwei unsterbliche Seelen, eine Liebestragödie – ihr erinnert euch? Die an sich für den ein oder anderen sicherlich schon interessante Thematik von Romeo und Julia wird durch einen tollen Sound aufgewertet. Hier funktioniert das Atmosphärewerkzeug perfekt. Energisch und spannungsgeladen verstrickt sich Melodie mit Lyrik, erschafft ein absolut stimmiges und in meinen Ohren überzeugendes Klangwerk.

Die Spanier liefern letztendlich nichts Neues – nein, absolut nicht. Die Technik kommt zwar nicht zu kurz – das Tapping von „Blaspheme Natured Messiah“ ist alles andere als schlecht und auch die Soli der Gitarristen und die Rhythmusarbeit des Drummers überzeugen – aber sind eben doch noch ausbaubar. Bemerkenswert ist vor allem die Atmosphäre und das wahrhaftige MelodieBOLLWERK, das einzelne Defizite unbesorgt in den Schatten stellt. Wer Lust auf innovativen Melodic Death hat, umgeht Dawn of Tears bitte. Wer Lust auf ein Kunstwerk hat, das keine Sekunde langweilig wird und für eine Eigenproduktion von erstaunlich guter Qualität ist, langt bitte zu! Genauso jemand, der einer noch relativ jungen und zumindest hier unbekannten Band eine Chance geben möchte. Die haben sie sich meiner Meinung nach absolut verdient, ob es nun für die durchdringende Melodie, die eingängigen Texte oder die überzeugende Leidenschaft ist, die sie in jeden einzelnen Song stecken.

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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