Dark Tranquillity Endtime Signals
August 2024

Review Dark Tranquillity – Endtime Signals

Besetzungswechsel sind für jede Band kritische Einschnitte. DARK TRANQUILLITY können davon mittlerweile ein Lied singen – nicht zuletzt, weil sie mit Johan Reinholdz einen versierten Gitarristen gefunden haben, der es zu schreiben vermag.

Nachdem sich 2020 Langzeit-Mitglied Niklas Sundin allein auf die grafische Gestaltung der Alben verlegt hat, mussten sich DARK TRANQUILLITY bereits für „Moment“ personell neu aufstellen. 2021 stieg dann auch noch Drummer Anders Jivarp aus, der ebenfalls stark am Songwriting beteiligt war – und auch Anders Iwers (Bass) sowie Christopher Amott (Gitarre) verließen die Band. Übriggeblieben ist, neben Sänger Mikael Stanne, nur Keyboarder Martin Brändström – der nun gemeinsam mit dem 2020 eingestiegenen Reinholdz „Endtime Singals“ geschrieben hat.

Dass die Band mit Joakim Standberg-Nilsson (ehemals In Mourning) am Schlagzeug und Christian Jansson (Grand Cadaver) am Bass zwei mehr als fähige Musiker in ihre Reihen aufgenommen hat und nurmehr als Quintett – live ergänzt um Peter Lyse Hansen (HateSphere) – agiert, sei am Rande erwähnt. Die eigentlich bemerkenswerte Tatsache ist aber doch, wie wenig sich dieses rasant drehende Besetzungskarussell auf die Qualität der Musik wie auch deren Stil ausgewirkt hat.

Denn wüsste man all dies nicht, wäre „Endtimes Signal“ ein absolut logischer Nachfolger von „Moment“, ja, eigentlich sogar das typischere DARK-TRANQUILLITY-Album als der streckenweise fast etwas arg ruhig ausgefallene Vorgänger. Schon mit dem Opener „Shivers And Voids“ legen die Schweden einen schwungvollen Einstieg hin, im Folgenden bleibt „Endtime Signals“ abwechslungsreich: Die bandtypisch eingängigen Riffs und Refrains, die nicht minder charakteristischen Wechsel zwischen Growls und Stannes melancholischem Klargesang, die herausragende Melodik in den Gitarren – auf „Endtime Signals“ findet man eigentlich alles, was DARK TRANQUILLITY auszeichnet. Vor allem aber lässt sich feststellen, dass „Endtime Signals“ insgesamt wieder deutlich härter ausgefallen ist als „Atoma“ und „Moment“. Wer die Band nach diesen Releases schon als zu soft abgeschrieben hat, sollte ihnen darum definitiv noch eine Chance geben.

Das größte, wenn nicht sogar einzige Manko am 13. Album der Göteborger ist wahlweise seine Länge oder die gewohnheitsmäßig dieser Tage sehr verkürzte Aufmerksamkeitsspanne: Da die Songs zwar im Detail sehr vielseitig arrangiert sind, im Großen und Ganzen aber sehr bandtypisch klingen, fällt es zunächst schwer, mehr als ein Gesamtbild des Albums im Kopf zu behalten: Einzelne Hits, die herausstechen, finden sich auf „Endtime Signals“ eher nicht. Das ist nicht per se ein Manko, macht es aber zwingend erforderlich, dass man sich mit dem Album eingehend beschäftigt. Dann jedoch offenbaren sich von Durchlauf zu Durchlauf mehr (oder auch: immer wieder andere) Highlights – seien das nun sehr gelungene Melodieführungen, besonders schmissige Riffs, coole Drumfills oder Gänsehautmomente im Gesang („One Of Us Is Gone“).

Allen Vorzeichen zum Trotz ist „Endtime Signals“ ein DARK-TRANQUILLITY-Album geworden, wie es sich Fans nur wünschen können: Egal, ob man erst mit „Moment“ zu der sympathischen Truppe gefunden hat, also eher auf die ruhigen Nummern steht, oder aber bereits seit Jahrzehnten dabei ist und zuletzt das rasante Riffing früherer Alben vermisst hat: „Endtime Signals“ hat das Potenzial, alle Fans hinter sich zu vereinen.

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Dark Tranquillity

Wertung: 8.5 / 10

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4 Kommentare zu “Dark Tranquillity – Endtime Signals

  1. Für mich, der tatsächlich Haven für das beste Album hält (das nun nicht gerade durch fehlende Keyboards glänzt) und heute noch zum Grillen das passende, von Motten zerfressende Shirt anzieht ist dieser Kram und auch die letzten Ausgaben dazu nichts. Das ist kein Melodeath mit Melodien in mitreißenden Songstrukturen, das ist nur noch technisch (sehr?) gutes Gitarrenkeyboardgeklirre mit wahllos eingestreuten Momenten. Wie ein Michael Bay Transformer. (das gleiche Gefühl auch bei The Halo Effect). Da fühl ich nichts mehr, dann lieber nochmal auf Spotify eine Eurodance Playlist auspacken.

  2. Ich habe mich mittlerweile damit abgefunden, dass meine Liebe zur Band einfach unzertrennbar mit dem Songwriting des Powerduos Henriksson/Sundin verbunden war. Seit die beiden sich nicht mehr am Songwriting beteiligen, spätestens seit sie ganz raus sind, hat das für mich einfach nichts mehr mit der DT-Qualität bis einschließlich „We are the Void“ zu tun. Henriksson und Sundin haben einfach wie kein anderer verstanden, dass Melodeath, der ja musikalisch im Grunde lediglich Popmusik in (harmonisch) Moll mit Growls und verzerrten Gitarren ist, nur dann funktionieren kann, wenn die Riffs und Melodien gleichermaßen eingängig uns mitreißend, dabei aber trotzdem nicht kitschig und banal sind. Wenn die Spannungsbögen genau aufgehen. Das war eine Once-in-a-Lifetime-Gabe der beiden, diese Gratwanderung perfekt zu meistern.

    Seit den 2010er klingt das für mich nur noch wie ne Coverband, die im Versuch, der Erfolgsformel ihrer Vorbilder einen eigenen experimentellen Stempel aufzudrücken, ohne auch nur einen Bruchteil deren Begabung zu besitzen, immer weiter ins Belanglose abdriften. Das hier torkelt nur noch zwischen „zum einen Ohr rein, zum anderen raus“, „hab ich anderswo schon etliche Male wesentlich besser gehört“ und „groovt/fetzt überhaupt nicht“ hin und her. Wenn Brändströms einst stilvolles, mittlerweile jedoch nur noch penetrantes Keyboardgedudel nicht alles zukleistern würde, könnte das auch jede andere x-beliebige Melodeathband nach 2010 sein. Und Songs wie „Neuronal (Mis)fire“, „False Reflection“ und „One of Us is Gone“ sind an Peinlichkeit kaum mehr zu übertreffender, schlimmstmöglicher Zuckergusskitsch und der absolute Karrieretiefpunkt eines stetigen Abstiegs. Ich habe noch mit viel gutem Willen versucht, „Moment“ zumindest teilweise noch etwas abgewinnen zu können, aber hier is jetzt spätestens Schluss für mich. Ich kann das alles langsam nicht mehr. Was aus meiner damaligen Lieblingsband geworden ist, macht mich nur noch traurig. Aber das liegt vielleicht auch einfach daran, dass ich bisher nicht akzeptieren wollte/konnte, dass diese Band, wie ich sie kannte und geliebt habe, sich schon vor über 10 Jahren selbst begraben hat. Vielleicht hilft mir das neue Album ja immerhin, endlich loslassen zu können.

    Das Tragische ist, dass „Unforgivable“ als einer der besten DT-Songs der letzten 10 Jahre mir kurz wieder Hoffnung gemacht hat, dass die neue Besetzung vielleicht, wenn schon nicht zu alter, dann wenigstens zu neuer Stärke findet. Hat sich aber leider nicht bewahrheitet.

    1. Ja, ich kanns absolut nachvollziehen, glaube aber, dass man die Band eher „episodenmäßig“ beurteilen muss, und in der von dir ja schon gut umrissenen letzten Phase finde ich dieses Album tatsächlich noch das beste, weil vielseitigste. Die echten Hits fehlen aber fraglos auf die ersten Durchgänge, und ja, das Keyboard ist schon sehr dominant :D

    2. Sehr gut zusammengefasst, ich empfinde das sehr ähnlich. Auf der Atoma haben sie es noch ganz gut hinbekommen, ihren alten Stil zu imitieren, aber Moment und nun leider auch Endtime Signals verschwinden in der Belanglosigkeit. Die Songs sind kaum voneinander zu unterscheiden, selbst die Lyrics wiederholen sich in immer ähnlichen Phrasen (so sehr ich Mikael Stanne als Frontmann bewundere).
      Schade, aber ist der Lauf der Zeit.

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