Zugegeben, ich bin kein Experte, was die deutsche Power Metal Szene angeht, aber ich hatte bei Namen wie Gamma Ray, Halloween, Edguy und deren Kollegen immer mehr oder weniger das Gefühl, dass die Speerspitze dieses Genres aus einem Haufen (mehr oder weniger lustigen) Komikern besteht, die mit ihrer Musik hauptsächlich gute Laune verbreiten wollen. Ob das klappt oder nicht ist fraglich, aber auch gar nicht Gegenstand der heutigen Disposition, denn eigentlich geht es darum, dass ich irgendwann mal über den Namen DARK AT DAWN stolperte, eine schon relativ dienstalte Band (gegründet 1993) aus Osterode, die es bislang auf vier Alben brachte und unter der Flagge des „Dark Power Metal“ in der Gegend herumschippert. Klingt ja gar nicht so übel, schlechte-Laune-Musik mochte ich ja schon immer und Evergrey bewiesen ja eindrucksvoll, dass das mit Power Metal auch geht. Also lauschte ich mal Probe (den Track „A Winter’s Dream“ gab es als kostenlose MP3 auf der Homepage und der fuhr eine Weile auf meinem Rechner herum) und legte mir ziemlich bald den 2001er-Output der Band, „Crimson Frost“, zu.
Und nach exzessiver Rotation muss ich sagen, dass es wohl nicht ganz zutreffend sein dürfte, diese Musik als reinen Power Metal (auch nicht als „Dark Power Metal“) abzustempeln, das würde den Knaben nämlich mächtig unrecht tun. Klar, die Grundlage ihrer Musik besteht aus Elementen eben dieses Genres, wir haben kraftvolles Drumming, melodische Gitarrenleads und oftmals Powerchordgeschrammel, sowieso eine Ausrichtung des Materials, die gut geradeaus geht und klaren, melodischen Gesang aus der Kehle von „Buddy“ Kohlrausch. Und genau dieser Gesang ist es, der mich irgendwie stutzen lässt, denn der Mann erinnert mich ziemlich stark an Taneli Jarva und damit ist die Verbindung zu Sentenceds legendärer „Amok“-CD gar nicht so weit. Denn siehe da, auch die Musik ist gar nicht so unterschiedlich, zwar ist „Crimson Frost“ schon Power Metal-lastiger als „Amok“ (und hat weniger Death Metal Anleihen, nämlich so ungefähr gar keine), aber der eher gotische Grundtenor ist ähnlich.
Der zeigt sich bei DARK AT DAWN auch in den Texten, wenn ich das mal so platt pauschalisieren darf, die sind nämlich auch sehr Power Metal untypisch. Es geht um Einsamkeit, Leid und Leidenschaft, Tod und Verderben und Blut und Suizidgedanken scheinen allgegenwärtig zu sein (allein schon der Albentitel, „Crimson Frost“… aber auch in der Trackliste finden sich einige mehr oder weniger deutliche Worte). Und über solche Texte mag man ja jetzt geteilter Meinung sein, aber im Falle von DARK AT DAWN passen sie einfach zur düsteren Musik wie die Faust auf’s Auge. Ja, die Klangkunst, die die fünf Wasauchimmerer hier auffahren, ist wirklich sehr leiddurchtränkt und verdammt düster, das „Dark“ passt also doch schon sehr gut.
Und „Power“ dann doch auch, wie gesagt gehen die Songs meist sehr stark nach vorn, zur Not auch durch die nächste Wand. Dem zuträglich ist die wuchtige und zugleich transparente Produktion, aber dann ist da noch die feine Melodieführung, die ein paar gar nicht so unemotionale Momente erst ermöglicht. Schon allein der Opener „The Frozen Tear“ ist ein sau starkes Stück, egal ob der coole Refrain, der allgemeine Breakdown nach dem Buddy vollkommen musikbefreit ein paar sehr geniale Gesangslinien hinlegt oder aber die danach einsetzende Frauenstimme. Oder aber auch das geniale „Blink Of An Eye“, das mit Akustikgitarren loslegt und einen sehr epischen Refrain auf die Reihe kriegt. Und wo wir gerade bei episch sind, das tolle „Across The Oceans Of Time“ mit genialem Duettgesang zwischen Buddy und Gastsängerin Cecile Beelmann darf natürlich auch nicht unerwähnt bleiben. Gary Moore wird übrigens auch noch gecovert, sein „Out In The Fields“ erstrahlt auch in der Verwurstung durch DARK AT DAWN sehr gut, wobei ich es etwas befremdlich finde, dass die Band es mitten in die laufende Trackliste inkorporierte, aber es passt da schon recht gut rein.
Oder aber auch nicht, denn wo Licht ist, ist auch Schatten. So gut die dreizehn Songs auf „Crimson Frost“ auch klingen, es will sich einfach kein richtiges Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen ihnen entwickeln. Die Trackliste macht einfach keinen so durchdachten Eindruck, man hätte die Songs bestimmt auch in jeder anderen beliebigen Reihenfolge anordnen können und der Eindruck hätte sich kaum geändert. So ist „Crimson Frost“ einfach nicht mehr als die Summe seiner Teile, glücklicherweise sind diese Teile aber allesamt sau stark, so dass die Scheibe trotzdem für jeden Fan düsterer Musik, der mit Power Metal inklusive einer großen Portion Eier was anfangen kann, absolut essentiell sein dürfte.
Wertung: 9 / 10