Review Cytotoxin – Biographyte

CYTOTOXIN sind hier (sehr zur Verwunderung des Schreibers) absolut unterrepräsentiert. Dabei ist die Tech-Death-Metal-Truppe aus Chemnitz mittlerweile seit 15 Jahren mit aller Vehemenz ein fester Bestandteil ihres Genres. Währenddessen hat es die Band besonders in den USA, aber auch in anderen europäischen Ländern zu einiger Bekanntheit gebracht – was Album-Features mit Namen wie Aborted und Shadow Of Intent nur untermauern.

Satte fünf Jahre sind seit dem letzten Album des sächsischen Fünfers vergangen. „Nuklearth“ hieß das letzte Release der Band. Damals gab es frickeligen Technical Death Metal mit einer Spur Eingängigkeit und jeder Menge amtlicher Grooves. Um gewissermaßen das Fazit vorwegzunehmen: „Biographyte“ setzt diesen Weg unbeirrt fort und geht in allem sogar noch einen Schritt weiter. Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass CYTOTOXIN jetzt kuschelig werden – allein der Albumtitel macht das schon klar. „Biographyte“ ist eine Wortschöpfung aus den Begriffen „Bio“, was in der allgemeinen Übersetzung „Leben“ bedeutet, und „Grafit“. Grafit ist ein Material, das (vereinfacht gesagt) zur Regulation von Atomspaltungen in Atomreaktoren angewandt wird. Es ist hoch radioaktiv und hat nach der Explosion des Kernkraftwerks Tschernobyl durch seine Strahlung unzählige Menschenleben das Leben gekostet.

Thematisch bleiben CYTOTOXIN also weiterhin ihrer Agenda treu. Musikalisch macht schon der Opener „Hope Terminator“ mit seinen schwarmartig verfrickelten Leads ganz klar, in welche Richtung der Geigerzähler ausschlägt. Gelegentlich glätten feine harmonische Arrangements den Wust der Virtuosität und fließen über in angenehm druckvollen Death Metal alter Schule. „Hope Terminator“ zeigt: CYTOTOXIN haben nichts verlernt. Das Schöne an den Chemnitzern ist, dass sie wissen, was sie können, dieses Banner aber nicht allzu hoch heben. So ist „Condemnesia“ eine vorzugsweise geradlinige Death-Metal-Granate, in die atmosphärische Chöre  eingewoben wurden – ein Stilmittel übrigens, das neu ist und der Musik von CYTOTOXIN ausgesprochen gut steht. Es ist der geschickte Kontrast aus technischem Anspruch und brutaler Geradlinigkeit, versehen mit einer Spur Epik („Behind Armored Doors“), der „Biographyte“ gut zugänglich macht. Apropos zugänglich: Auf „Deadzone Desert“ wird es mit Kettengerassel und Akustikgitarre gar ganz kurz romantisch am Atomreaktor.

So musizieren sich CYTOTOXIN nach den Regeln einer gut laufenden Formel durch ihre elf neuen Songs. Die unerschrockene Souveränität, mit der sich die Band durch Nummern wie „The Everslave“ hindurchwalzt, lässt das Herz des Schreibers genauso wenig unberührt wie die bitterbösen Riffs eines „Bulloverdozed“, oder die großen Melodien des Abschlusstitels „From Bitter Rivers“, den man getrost als Höhepunkt von „Biographyte“ sehen darf. Das Sänger Grimo nicht nur ein unglaublich sympathischer Zeitgenosse ist, sondern auch gutural so anmutet als verspeiste er regelmäßig Uranbrennstäbe, macht die ganze Sache absolut rund.

Schlussendlich ist „Biographyte“ würdiger Nachfolger des fantastischen Vorgängers „Nuklearth“. Das neue Album der ostdeutschen Prügelknaben erfüllt in Gänze alle Prädikate seines Genres und ist vielleicht auch ein Türöffner für alle, denen der Technical Death Metal bisweilen zu verkopft daherkam. „Biographyte“ ist also im besten Sinne des Begriffs ein absolutes Genre-Album geworden – auch wenn die Musik von CYTOTOXIN vielleicht nicht zu jeder Zeit in Ohr oder Kopf verbleiben mag.

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Wertung: 8.5 / 10

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4 Kommentare zu “Cytotoxin – Biographyte

  1. Was auch unterrepräsentiert ist ist dass Cytotoxin mMn eine der wenigern Tech / Brutal Death Bands sind, die tatsächlich coole Songs schreiben von denen was hängen bleibt. Ich bin überhaupt kein Fan des Genres, aber seit der Plutonium Heaven bin ich bei denen hängen geblieben – da wird zwar wild geknüppelt und gegniedelt wie bei anderen Truppen des Genres, und der Sänger klingt auch wie ne Kaffeemaschine wie es sich gehört, aber ich find dass da immer mal wieder ein Ohrwurm dabei ist.

  2. Die Jungs sind absolut zu empfehlen und vor allem Live eine Wucht. Wenn man da in den ersten Reihen den Atommülleimer kreisen lässt und man nach Circlepitonium verlangt, ist einfach gute Stimmung angesagt. :)

    1. Ich habe vor kurzem um ein Sitzkonzert gebeten (Rollstuhlnutzer). Mir wurde versichert es werde daran gedacht:D

      Ich kann mir jedenfalls sehr gut vorstellen was du beschreibst. Finde die Jungs auch bockstark.
      Vielen Dank für deinen Kommentar;)

      Liebe Grüße

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