„Wheels Within Wheels“ von der vorhergehenden EP „Re-Traced“ hatte es schon angedeutet – CYNIC haben nicht mehr so richtig viel Lust auf Extreme Metal-Elemente wie Growls oder Screams, oder auch nur auf kantigen Progressive Metal. Auch das war nur eine konsequente Weiterentwicklung von „Traced In Air“, aber erst jetzt, mit „Carbon-Based Anatomy“, hat man das Gefühl, dass die Band wirklich da ist, wo sie hinwollte und wo sie hingehört.
Schon „Amidst The Coals“ erschafft als sphärisches, entspanntes Intro, das von Amy Correias schamanenhaften Gesängen lebt, eine Atmosphäre, die man wohl tatsächlich am ehesten mit der Genre-Bezeichnung „Progressive Space Folk“ bezeichnen könnte. Hört sich dämlich an, klingt aber so. Grundsätzlich wird diese Stimmung beibehalten, selbstredend aber im Fortgang der Scheibe reichhaltiger instrumentiert wiedergegeben. Das Herz der EP stellt wohl der Titeltrack dar, der mit einem vollkommen abgehobenem Refrain, der von Paul Masvidal und seiner Gitarre getragen wird, sehr klar macht, was das aktuelle Konzept CYNICs ist: Binde dich an kein Genre, nimm das Beste aus verschiedensten musikalischen Einflüssen und kombiniere es zu einem Produkt, das natürlicher, ungezwungener und attraktiver ist, als diese Einflüsse einzeln jemals sein könnten. Ob nun hymnischer Progressive Rock, meditativer Folk, ohrenschmeichelnder Pop oder verschachtelter Progressive Metal, hier entsteht eine Melange, wie sie logischer nicht klingen könnte.
CYNIC sind eine dieser Bands, die auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen in der Musik nicht zwanghaft versuchen, etwas Neues zu erschaffen, dafür klingt „Carbon-Based Anatomy“ viel zu dynamisch und fließend. Prinzipiell kennt man alles, was hier geboten wird, ziemlich gut, die EP im Gesamten ist aber eine musikalische Vision, wie sie unverbrauchter nicht hätte ausfallen können. Ein Statement, wie Musik 2011 klingen könnte und sollte. Und doch steckt viel zu viel Genialität in diesen Songs, als dass man darauf hoffen dürfte, dass sich andere Bands diesem Konzept anschließen könnten, ohne, dass es vollends in die Hosen geht. Die Amerikaner haben hier definitiv nochmal einen riesigen Schritt gemacht, der wohl kaum seiner Bedeutung entsprechend rezipiert werden wird.
Man könnte dem Release seine 23 Minuten Spielzeit anlassten, die bei dem Niveau, auf dem CYNIC musizieren, nicht erfüllend sind, aber als Appetizer, auf was man sich bei einem neuen Album gefasst machen darf, ist „Carbon-Based Anatomy“ großartig. Sollte man haben.
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