Von der Stadt in den Weltraum, von der Pause in die Zukunft: 2013 kündigten die schwedischen Post-Metaller CULT OF LUNA nach ihrem von „Metropolis“ inspiriertem Album „Vertikal“ eine Pause auf unbestimmte Zeit an, wobei sie den Zusatz betonten, in Zukunft in irgendeiner Form zurückzukehren. Dass es bereits 2016 so weit ist und die nach einigen Besetzungswechseln neu aufgestellte Band ihr siebtes Studioalbum „Mariner“ vorlegt, kommt nach dieser Ankündigung überraschend. Vermutlich um frischen Wind in die Band zu bringen, haben sich CULT OF LUNA Unterstützung von JULIE CHRISTMAS geholt, die früher Sängerin der Sludge-/Noise-Bands Made Out Of Babies und Battle Of Mice war. Thematisch lösen sich CULT OF LUNA & JULIE CHRISTMAS von der bedrückenden Enge der Stadt und erkunden auf „Mariner“ die scheinbar grenzenlosen Weiten des Weltalls. Diese Reise stellt sich musikalisch als ein kalter, atmosphärischer, stellenweise melancholischer und häufig bedrohlicher Trip dar, dem die amerikanische Sängerin durch ihre einprägsame und vielfältige Stimme eine spannende Note hinzufügt.
Ruhige Gitarrentöne und ein leises, verschlepptes Schlagzeug eröffnen, gepaart mit bedrohlichem Dröhnen und Feedbackpfeifen, „A Greater Call“ – ein Einstieg, den CULT OF LUNA in ihrer 18-jährigen Bandgeschichte perfektioniert haben. Mit Johannes Perssons heiserem und gepresstem Geschrei steigt schließlich ein mäanderndes, wuchtiges Schlagzeug ein, während JULIE CHRISTMAS‘ hohe, kristallklare und sehnsüchtige Stimme den Hintergrund ausmalt. Erwartbar, aber schlicht und ergreifend großartig und mitreißend, setzt schließlich ein markerschütterndes Riff ein, dass den Song dominiert. Auf „Chevron“ übernimmt JULIE CHRISTMAS mit ihrem zwischen kindlich-naiv und manisch-wahnsinnig anzusiedelnden Gesang, der durch eine Dopplung eine zusätzlich verstörende Wirkung entfaltet, die Hauptrolle. In anderen Passagen singt JULIE CHRISTMAS nahezu lieblich, nur um gemeinsam mit Johannes Persson nahezu manisch zu kreischen und „Mariner“ zunehmen verstörend klingen zu lassen. Das permanente dynamische Wechselspiel zwischen Lautstärke und Zurücknahme, zwischen knackigen Riffs und endlosen Flächen, zwischen Aggression, Wut, Sehnsucht und Verzweiflung, das CULT OF LUNA stets ausgemacht hat, wird in der Zusammenarbeit mit JULIE CHRISTMAS auf „Mariner“ noch einmal intensiviert.
Während die Synthies und Klangflächen auf „Vertikal“ noch mechanisch klangen, erwecken CULT OF LUNA durch diese auf „Mariner“ im Zusammenspiel mit flächigen, stark verzerrten Gitarren schier unendlich scheinende Klangflächen, die die Kälte des Weltalls förmlich spürbar machen. Neben den oft heftigen und beunruhigenden Nummern ist es lediglich „Approaching Transition“, auf dem sich JULIE CHRISTMAS fast vollständig zurücknimmt, das als eine Art versöhnlicher Ruhepunkt gewertet werden kann. Während der hier teilweise eingesetzte Vocoder-Gesang stellenweise nach Mogwai klingt und eine klare Gitarrenmelodie sowie klassische Post-Rock-Gitarren sanfte Töne anschlagen, wirken auch die Ausbrüche und das Geschrei in dieser Nummer weich und nahezu grenzenlos. Im letzten Song kehrt JULIE CHRISTMAS noch einmal zurück und verleiht den sowieso schon dissonanten Tönen des Beginns von „Cygnus“ eine zusätzliche Prise Wahnsinn und Emotion. Zum Abschluss steigert sich die Nummer immer energischer, bis ein letzter Schrei und verhallende Töne „Mariner“ ausklingen lassen.
Für Alben wie „Mariner“ wurde das Label „Post Metal“ erfunden. CULT OF LUNA & JULIE CHRISTMAS lassen zwar ruhige Momente in ihre Kollaboration einfließen, diese sind allerdings zu keinem Moment versöhnlich oder beruhigend, sondern halten die stets mindestens bedrückende, stellenweise sogar verstörende Stimmung stets aufrecht und intensivieren die markerschütternden Riffwalzen noch einmal. JULIE CHRISTMAS vielfältiger Gesang sorgt in allen Variationen für eine absolute Bereicherung des Sounds von CULT OF LUNA und verleiht diesem eine frische Note. Sicher, die Mittel des Post Metal sind altbekannt und revolutionär neue Formen entwickeln CULT OF LUNA auch nicht zusammen mit JULIE CHRISTMAS. Für das Genre liefern die Musiker mit „Mariner“ aber ein hochklassiges Werk ab.
Wertung: 8.5 / 10