Review Cradle Of Filth – Dusk … And Her Embrace – The Original Sin

  • Label: Cacophonous
  • Veröffentlicht: 2016
  • Spielart: Black Metal

Wenn der Name CRADLE OF FILTH in Black-Metal-Kreisen heute auch oftmals abwertend als Synonym für eine untrue Poserband verwendet wird, fällt es doch selbst dem hartgesottensten Schwarzmetaller schwer, dem Klassiker „Dusk … And Her Embrace“ von 1996 seinen Legendenstatus abzusprechen – steht das Album in Sachen Düsternis und Bösartigkeit dem ebenfalls 1996 veröffentlichten Klassiker „Stormblåst“ der norwegischen Kollegen von Dimmu Borgir doch in nichts nach.

Die wenigsten dürften jedoch mitbekommen haben, dass es sich bei dem Album, das seinerzeit als zweites Full-Length von CRADLE OF FILTH in die Läden kam, bereits um eine Neueinspielung handelte: Nach der Veröffentlichung des Debüts „The Principle Of Evil Made Flesh“ und den Aufnahmen zum Nachfolger, „Dusk … And Her Embrace“ kam es zum Split: Paul Ryan (Gitarre) und sein Bruder Benjamin (Keyboard) gründeten The Blood Divine und die neu formierten CRADLE OF FILTH entschieden sich gegen die Veröffentlichung der bereits aufgenommenen Platte, da diese das neue Lineup nicht angemessen repräsentiere. Statt dessen kam zunächst die EP „Vempire Or Dark Faerytales In Phallustein“ in die Läden, anschließend dann eine neu eingespielte Version von „Dusk … And Her Embrace“ – das Album, das heute Legendenstatus genießt.

Seine Original-Version hingegen verschwand für über zwei Dekaden in den Schubladen – bis heute. Gemeinsam mit ihrem damaligen Label, Cacophonous Records, haben sich CRADLE OF FILTH nun doch noch für eine Veröffentlichung des Materials entschieden – unter dem Titel „Dusk … And Her Embrace – The Original Sin“, mit einem modernen Artwork von Drake Mefestta und einem Re-Master aus Scott Atkins‘ Grindstone Studio, in welchem auch die aktuellen Werke der Briten soundtechnisch veredelt wurden.

Während das Artwork zwar düster, jedoch im Vergleich zum seinerzeit für die veröffentlichte Version ausgesuchten Bild recht belanglos wirkt, weiß der Klang der Scheibe vollauf zu begeistern: So verleiht dieser den Songs jenen Druck, der dem 1996 veröffentlichten Album fehlt, belässt dem Material jedoch seinen rohen, ungestümen Charakter. So ist „The Original Sin“ weit davon entfernt, glattgebügelt oder gar überproduziert zu klingen – und somit durchaus auch für Puristen genießbar, die mit dem Prinzip Re-Mastering generell auf Kriegsfuß stehen.

Auch die Tracklist birgt einige Überraschungen: Statt des frostigen „Human Insprired To Nightmare“ eröffnet das bislang ungehörte, pompöse „Macabre, This Banquet“ den Reigen – gefolgt von der seinerzeit auf die „Vempire Or Dark Faerytales in Phallustein“-EP ausgelagerte Fauch-Orgie „Nocturnal Supremacy“. Bis auf den „neuen“ letzten Track, „Carmilla’s Masque“, der Fans bislang nur von diversen Compilations her bekannt sein könnte, und das Fehlen von „Malice Through The Looking Glass“ stimmt die Songauswahl zwar mit der zum Klassiker gewordenen Version überein – die Songreihenfolge jedoch in keiner Weise. Allein das verleiht „Dusk … And Her Embrace – The Original Sin“ einen gewissen Charme, wirken die Songs, die bislang in einer ganz anderen Abfolge im Gehirn eingebrannt waren, in dieser neuen alten Konstellation doch wieder gänzlich anders. Auch unterscheiden sich die Versionen der Songs mitunter stark.

Das eindrucksvollste Beispiel hierfür ist „Beauty Slept In Sodom“: Auf der 1996er-Version noch ein ruhiger Keyboard-Song, geriert sich die Schönheit hier alles andere als verschlafen als prügelndes, keifendes Weibsbild. Doch auch, wo verblieben, sind die Keyboards fast nicht wiederzuerkennen: Mal als Soundwand („Funeral In Carpathia“), mal als Cembalo („The Graveyard By Midnight“) wissen diese nun mit weit größerer Präsenz, aber auch klanglicher Vielfalt zu begeistern. Mag dieser Eingriff für Verehrer des Albums in seiner bisherigen Version auch gewöhnungsbedürftig sein, dürfte der Gesang für die meisten Kontroversen sorgen: Statt, wie später zum Markenzeichen der Band geworden, in typischer Filth-Manier gekreischt, wurden die Verse hier eher gefaucht – und das mitunter deutlich tiefer als man es sonst von CRADLE OF FILTH kennt.

Dusk … And Her Embrace – The Original Sin“ wird seinem berühmten Zwilling den Rang nicht ablaufen – unter Fans dürfte weiterhin „Dusk … And Her Embrace“ der Klassiker bleiben. Und doch ist „The Original Sin“ eine spannende Veröffentlichung, die jedem Fan der Band und natürlich des besagten Albums nur wärmstens ans Herz gelegt werden kann. Zum einen als Stück Zeit- und Bandgeschichte, zum anderen, weil den Songs die Soundpolitur durch Scott Atkins wahrlich gut zu Gesicht steht.

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Ein Kommentar zu “Cradle Of Filth – Dusk … And Her Embrace – The Original Sin

  1. Was bei allen Rezensionen zum Album, die ich bisher gelesen habe, gar nicht erwähnt wird, ist doch aber der meiner Meinung nach faszinierendste Aspekt an der Veröffentlichung – der Gesang von Dani. Ich bin seinerzeit über die „originale“ Veröffentlichung der „Dusk…“ zu der Band gestoßen und war von Anfang an hingerissen von Danis Gekreische. Umso größer die anfängliche Enttäuschung, als das Debutalbum „The Principle of Evil Made Flesh“ endlich seinen Weg in meinem Player fand – Dani war da ausschließlich auf Gegrummel und die klassischen geflüsterten und extrem tiefen Gesangsparts beschränkt, bis auf zwei fast deplaziert wirkende Schreie auf dem gesamten Album (ihr wisst schon, bei Summer Dying Fast in der Mitte zum Beispiel). Bereits auf der „Vempire“-EP war dann das bekannte Kreisch-Trademark von Cradle of Filth am Start.

    Die Neuveröffentlichung der „Dusk…“ ist insofern bemerkenswert, als Dani hier eine Stimmlage nutzt, die exakt zwischen der „Principle of Evil Made Flesh“ und der „Vempire“ liegt. Man spürt förmlich, dass die Stimmbänder kurz davor sind, überzuschnappen. Daher ist die Neuveröffentlichung extrem spannend, weil man Dani mal von einer Seite zu hören bekommt, die auf keiner der anderen Alben existiert. Ich empfinde den Gesang bereits als deutlich extremer als den auf dem Debutalbum, und im Vergleich zum Gekreisch auf dem Originalalbum fast sogar interessanter, weil er stets noch ein bisschen Luft hat, um die Intensität für eine Artikulation der unglaublich großartigen Texte zu nutzen.

    Speaking of which – die Texte weichen teils erheblich von denen der Originalveröffentlichung ab. Dani hat hier offenbar nochmal überarbeitet. Ich als Fanvboy der ursprünglichen Platte hatte auf jeden Fall großes Vergnügen, die Geschichten der Songs nochmal in alternativer Wortfassung zu genießen.

    Musikalisch bewegt man sich – abgesehen von den oben geannten Unterschieden – meist im gewohnten Terrain. Jedoch fallen in einigen Songs durchaus Abweichungen im Arrangement auf, die wohl einer Überarbeitung der Songs im zweiten Aufhnahmedurchlauf geschuldet sind. Insgesamt bewegen sich die Songs nicht weit außerhalb der bekannten Aufnahmen. Die Produktion fällt eben nur insgesamt erdiger und weniger mystisch aus – welche Version man bevorzugt, bleibt jedem selbst überlassen.

    Auch unter diesem Aspekt ist das Album zumindest ein interessantes Zeitzeugnis, für mich jeooch das lang fehlende Bindeglied zwischen dem Debut und dem späteren Schaffen der Band. Ich stimme Moritz also im Fazit zu – Fans BRAUCHEN dieses Album, falls sie das Debutalbum auch schätzen und Cradle nicht nur aus der Zeit nach 1997 kennen.

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