Manchmal sind die Pfade der interstellaren Mächte des Universums (ich sage jetzt absichtlich nicht „Gott“, denn das könnte zu Kontroversen führen) unergründlich. Denn im Sommer des Jahres 2007, auf einem nicht näher genannten Festival, um genau zu sein, drückte mir eine nette Italienerin ein duster ausschauendes Cardsleeve in die Hand, das ich dankend entgegen nahm, nur um mich anschließend im Camp gemeinsam mit ein paar anderen Leuten darüber lustig zu machen. Mächtig grimmig schaute das Cover aus und der Name COMMON GRAVE verhieß auch Klischeeträchtigkeit. „Il Male di Vivere [Rough Mix Promo Edition]“ stand klein unter dem verschnörkelten Bandlogo. Auch kein Grund, mich der Musik der Band gegenüber milder zu stimmen. Naja, wieder zuhause angekommen legte ich die 1-Track-Promo-Single dann mal probeweise in den Player und… ließ mich von der Qualität des Songs regelrecht umpusten. Das Lachen blieb mir im Halse stecken, denn – soviel mal vorweg – der Song „Il Male Di Vivere“ ist große Klasse.
Nun schreiben wir das Jahr 2008, die fünf Italiener mit den schicken Pseudonymen sind bei Eerie Art Records vorstellig geworden und haben über dieses Label ihr erstes Full-Length-Album herausgekloppt, das ebenfalls auf den Namen „Il Male di Vivere“ hört. Dabei rumgekommen ist ein Konzeptalbum über – der Albentitel hat es schon angedeutet – das Leid des täglichen Lebens. Suizidaler Black Metal, schießt es einem da wohl als erstes durch den Kopf. Und tatsächlich vergleicht die Band selbst sich auch ganz gerne mit alten Shining oder den Landsmännern von Forgotten Tomb. Aber irgendwie will ich das nicht so ganz unterschreiben…
Egal, fangen wir doch mal ganz am Anfang an. Was als erstes bei „Il Male di Vivere“ auffällt ist die absolute Abwesenheit von Stille. Das klingt jetzt erst mal unverständlich, aber ich will sogleich zur Erklärung schreiten: COMMON GRAVE haben alle acht Songs ihres Debutalbums mit Akustik-Interludien verbunden, die vom Ende des einen Songs bis zum Anfang des nächsten laufen, so dass tatsächlich über die ganze Lauflänge des Albums nicht ein einziger Augenblick der Stille entsteht. Damit wollen sie selbst den Konzeptalbums-Charakter der Scheibe noch weiter hervorheben und ich muss sagen… es funktioniert nur bedingt. Der Vorsatz ist löblich und über weite Strecken sind diese verträumten Interludien auch sehr nett, aber manchmal versprühen sie einfach so ein Füllwerk-Appeal, das mir ziemliche Zahnschmerzen bereitet, denn so vergreifen sie sich auf wirklich bösartige Weise an der tollen aufgebauten Atmosphäre, die die Musik von COMMON GRAVE inne hat.
Die hat noch ein weiteres Problem, nämlich – so komisch das aus dem Mund eines Kritikers und nicht des Musikers selbst klingen mag – dass die Band manchmal „falsche“ Riffs spielt. Hin und wieder („Falling From The Sky“ sei hier besonders hervorgehoben, das dieses Manko aber mit ein paar sehr coolen, epischen Arrangements teilweise wieder wett machen kann) schleicht sich das eine oder andere Riff in die Songstrukturen ein, das so überhaupt nicht zur Musik passen will. Man könnte das wohl innovativ oder experimentell nennen, ich nenne es einfach schlecht und störend, denn so wird man gewaltsam aus der tollen, düsteren Atmosphäre gerissen und auf den Boden der Tatsachen zurück geholt. Und das ist unschön, denn eigentlich kann man sich prima in die Musik von COMMON GRAVE einfühlen, was dadurch aber extrem erschwert wird.
Soweit hab ich dann aber auch schon all mein negatives Pulver verschossen, denn: Der Rest von „Il Male di Vivere“ ist einfach nur große Klasse. Die größtenteils überlangen Songs sind so melancholisch, dass jedem Fan dieser Art von Musik tatsächlich das Herz übergehen wird. Dabei sind die technischen Fähigkeiten der fünf Italiener so beeindruckend, dass mir hin und wieder wirklich die Kinnlade runtergeklappt ist. Vor allem Drummer Blackthorn ist ein wahres Tier an den Becken und haut ein paar so geniale Drumpassagen heraus… whew. Zum Glück zieht der Rest der Band gut mit, hier werden teils extrem komplexe Songstrukturen geboten, es wird ohne Ende gerifft und alles ist auf so einem hohen Niveau, dass ich nicht mal ansatzweise Bauchschmerzen bekäme, wenn ich die Musik von COMMON GRAVE „Technical Black Metal“ nennen würde. Sänger XXVII ergeht sich meistens in finsterem Röcheln oder fiesen, hohen Schreien, sein vokalistisches Leistungsvermögen ist jetzt nicht so breit gefächert, aber was er tut, das tut er verdammt gut. Und die Produktion hat auch genügend Ecken und Kanten, um zu der ziemlich grimmigen Musik (die übrigens erstaunlicherweise komplett ohne Keyboards auskommt) zu passen, ist aber trotzdem druckvoll und transparent genug, um gut hörbar zu sein.
Genug des Lobes, fassen wir einfach mal kurz zusammen: COMMON GRAVE bieten auf ihrem ersten Album „Il Male di Vivere“ eine ganz große Packung an depressivem Black Metal, der nicht nur songwriterisch sondern auch technisch extrem gelungen daher kommt, sich aber ein paar wenige Kritikpunkte auf die Fahne schreiben muss. Wenn der Fünfer die auf dem nächsten Release ausmerzt, dann steht uns etwas ganz großes bevor. Trotz kleinere Mängel spreche ich hier eine uneingeschränkte Kaufempfehlung für Fans von melancholischem Schwarzmetall aus.
Wertung: 9 / 10