COLDPLAY sind eine der der erfolgreichsten Bands der letzten zehn Jahre. Mit ihrem zweiten Album „A Rush Of Blood To The Head“ (2002) und den Singles „The Scientist“, „In My Place“ und „Clocks“ gelang ihnen der Durchbruch. Das vierte Werk der Londoner hört auf den seltsamen Titel „Viva La Vida Or Death And All His Friends“ und trägt zudem ein auffälliges Bild des französischen Malers Eugéne Delacroix als Cover. Die originelle Gestaltung deutet es bereits an: Produzent und Musiklegende Brian Eno hat die Jungs zu kreativen Höhenflügen angespornt. „Dieses Album wurde von dem Wunsch angetrieben, von Schwarzweiß ins Farbspektrum zu wechseln. Man kann auch sagen, dass wir ganz bewusst allen Wildwuchs zuließen, der einen Garten erst zu einem Organismus macht“, sagt Sänger Chris Martin.
Auf den drei Vorgängern haben COLDPLAY ihren Sound Stück für Stück weiterentwickelt, „Viva La Vida“ hingegen erinnert nur noch bruchstückhaft an alte Klänge: Typische Stilmittel wie das akzentuierte Schlagzeugspiel oder die melodischen Gitarrenläufe sind zwar noch vorhanden, aber dem Wunsch zu experimentieren klar untergeordnet. Ambitionierte Künstler vergessen allerdings gern das Wichtigste: Den Song an sich. Und auch „Viva La Vida“ enthält Lieder, die zwar ideenreich und abwechslungsreich klingen – mancher Einfall geht aber unter, da ihm zu wenig Raum gelassen wird. Die Kompositionen bewegen sich zwischen dreieinhalb und vier Minuten – das ist zwar eine radiotaugliche Länge, aber einfach zu wenig, um alle Ideen und Parts sinnvoll auszuarbeiten.
Der Einstieg mit dem instrumentalen „Life In Technicolor“ ist leiser und zurückhaltender als die Opener der vergangenen Alben. Ruhige Akustikgitarren erklingen, ehe die restliche Band einsteigt und auch elektrische Saiten hinzukommen. Danach geht es direkt in „Cemetries Of London“ über: Eine besinnliche Nummer mit Flamenco-Händeklatschen, die nicht den Charakter eines Wachrüttlers hat und am Hörer vorbeirauscht. In „Lost!“ treffen Kirchenorgeln auf Perkussion-Grooves, die an Timbaland-Produktionen erinnern. „42“ präsentiert anfangs das „The Scientist“-Piano sowie Streicher und trauergetränkte Chöre von Chris Martin, ehe es plötzlich laut, verquer und einige Sekunden später fröhlich wird. Hat da jemand mit Klebstoff übrig gebliebene Songschnipsel zusammengesetzt?
„Lovers In Japan“ bedient sich überdeutlich bei U2, hätte aber auch auf dem Vorgänger „X&Y“ eine gute Figur abgegeben. Tolle Melodien, eine stimmige Instrumentierung und zu Ende gedachte Ideen – das überzeugt! Das darauffolgende „Yes“ ist eine Midtempo-Nummer mit Streichern, aber ohne besondere Momente. Mit dem Titeltrack „Viva La Vida“ kommt dann das Highlight des Albums: Der Song ist ein Ohrwurm von Anfang bis Ende, mit unkitschigen Streicher-Samples und opulentem Refrain. Als erste Singleauskopplung hat die Band trotzdem das Lied „Violet Hill“ gewählt: Mutig, denn es hat ein mit 40 Sekunden überdurchschnittlich langes Intro ohne Gesang und wartet mit – zumindest für Coldplay-Verhältnisse – schroffen Gitarrenriffs auf, die man so noch nicht von der Band gehört hat. Ein guter Track, der zu schnell vorbei ist, aber viel Substanz beweist. Im Anschluss lässt „Strawberry Swing“ die intime Atmosphäre des Debüts „Parachutes“ wieder aufleben, ehe COLDPLAY mit „Death And All His Friends“ die elementaren Zutaten ihrer Musik noch einmal schön zusammen: Sanfte Pianoakkorde, mitreißende Britrock-Riffs, sphärische Gitarrentupfer und bombastische Chöre. Sehr gelungen!
Zusammenfassend: „Viva La Vida“ klingt vielschichtig und erinnert in seiner Experimentierfreude an Radiohead und U2, verzichtet aber auf verquere Arrangements. Das Werk ist eine musikalische Wundertüte, die allerdings Löcher in Form von unfertigen Songs enthält. Große Melodien und Momente bleiben dieses Mal größtenteils aus.
Übrigens: Neben den zehn offiziellen Songs bietet die Platte noch drei versteckte Bonustracks und damit insgesamt 46 Minuten Spielzeit. Schöner Effekt: Der letzte Bonussong beschließt das Album und nimmt die Melodie des Intros wieder auf.