Es ist nicht leicht, aus der Masse an Progmetal-Veröffentlichungen hervorzustechen – CIRCLE OF ILLUSION gelingt es mit ihrem Debüt dennoch auf Anhieb. Denn die Österreicher präsentieren auf ihrem Erstling eine eher ungewöhnliche Mischung: Sie kreuzen traditionellen, symphonischen Progmetal und Hardrock mit 70er-Discosounds und Funkgitarren der Marke Boney M. Ein Stilmix, der wirklich nicht alltäglich ist. Umso schöner, dass er dennoch wunderbar funktioniert und von Komponist und Keyboarder Gerald Peter noch um zahlreiche andere Zutaten erweitert wird: Etwa um jazzige Pianoläufe, kinoreife Orchester- und Violinenklänge sowie Musical-Gesänge mit ganz großen Gesten.
Wer jetzt an die Rockopern von Ayreon denkt, liegt sicher nicht ganz falsch, aber dennoch nicht richtig: Selbstverständlich ist „Jeremias – Foreshadow Of Forgotten Realms“ ein Konzeptalbum und durch und durch auf Rockoper getrimmt; mit den Ayreon-Alben gemeinsam hat es den unvermeidlichen Hang zu Kitsch und Bombast, ist dabei jedoch weit weniger spacig und so gut wie gar nicht folkloristisch.
Das Album wurde mit unheimlich viel Liebe zum Detail komponiert, arrangiert und produziert. Bandchef Gerald Peter hat fünf Jahre daran gearbeitet, was man vom ersten Ton an hört. Neben der unheimlichen stilistischen Bandbreite lebt die Platte dabei vor allem durch die drei Stimmen von Taris Brown, Elga Shafran und Cara Cole, die äußerst abwechslungsreich und stellenweise auch sehr genre-untypisch klingen – ich erinnere hier nochmals an die Disco-Einflüsse!
CIRCLE OF ILLUSION sind zweifelsohne mit jeder Menge Kreativität und Können gesegnet: Der Silberling ist bis zum letzten Bit gefüllt und kommt auf eine Spielzeit von 79:59 Minuten, die Kompositionen sind rund, das Spiel virtuos – eine verdammt reife Leistung für Debütalbum! Dennoch will der Funke bei mir nicht so richtig überspringen. Woran das liegt?
Zum einen daran, dass mich die Platte emotional nicht erreicht – sie klingt insgesamt etwas kühl und für meinen Geschmack ein wenig zu kalkuliert. Die Gesänge und Melodien berühren mich nicht, ich kann keine Beziehung zu ihnen aufbauen. Das halte ich bei einem Konzeptalbum für enorm wichtig. Zum anderen ist das Album insgesamt zu lang. CIRCLE OF ILLUSION schaffen es nicht, meine Aufmerksamkeit für die gesamten 80 Minuten gefangen zu nehmen. Mag sein, dass beide Punkte letztlich auf die Disco- und Funk-Einlagen zurückzuführen sind, die zwar in diesem Zusammenhang sehr progressiv und neuartig sind, leider aber auch immer wieder den epischen Fluss des Albums durchbrechen und mich sprichwörtlich „aus dem Konzept“ bringen.
Als letzten Punkt möchte ich noch auf das Artwork eingehen: Das sehr umfassende, 36-seitige Booklet ist liebevoll im Papyrus-Look gestaltet und setzt die Geschichte sehr schön in Szene – toll, dass selbst ein kleines Label wie Generation Prog Records hier keine Kosten und Mühen gescheut hat. Das Cover mit seinen computergenerierten Figuren und Lilatönen ist aber sicherlich Geschmackssache.
Alles in allem ist „Jeremias – Foreshadow Of Forgotten Realms“ ein gefundenes Fressen für Fans von symphonisch-progressiven Rockopern. Es ist ein extrem ambitioniertes und professionelles Debütalbum, das insbesondere durch seinen seltenen Stilmix besticht, den man wirklich gehört haben sollte. Als Anspieltipps eignen sich beispielsweise „The Beginning“ oder „New Age“ – danach dürfte in etwa klar sein, wie der Hase läuft. Wenn’s euch gefällt, werdet ihr viel Spaß mit CIRCLE OF ILLUSION haben!
Wertung: 7 / 10