In der heutigen, schnelllebigen Zeit lösen sich ja bekanntlich diverse Bands auf, nur um sich, wie man meinen könnte, einige Jahre später mit einer Reunion zurückzumelden und den Namen der Band so erneut ins Rampenlicht zu rücken. Dies kann, wie zum Beispiel Immortal derzeit beweisen, klappen (warten wir mal ab, wie lange) oder eben nicht, wie man bei CELTIC FROST gesehen hat. Bleibt es bei einer Versöhnung auf Zeit, steht am Ende nur das Reunion-Album, quasi als Scheidungskind. An diesem jedoch kann man trefflich beurteilen, ob es sich bei der zweiten Chance lediglich um eine aufgewärmte Beziehung oder doch um eine neu entflammte Liebe gehandelt hat.
CELTIC FROSTs „Monotheist“ lässt nur einen Schluss zu: Letzteres ist der Fall. Jedoch scheint es, als hätten die Herren alle Kraft, Liebe und Fürsorge in das Kind gesteckt und unterdessen die Beziehung selbst vergessen. Und so stand man, nachdem der Nachwuchs das Haus verlassen hatte, ausgebrannt und ratlos da – der gemeinsame Weg hatte sein Ende gefunden: Mit „Monotheist“ hat man ein Album geschaffen, auf das man mehr als stolz sein kann und das gleich in mehrerlei Hinsicht kaum bis gar nicht zu übertrumpfen gewesen wäre – was ein weiteres Bandbestehen zwar nicht unmöglich, aber doch unnötig gemacht hätte.
Denn „Monotheist“ erfüllt alle Kriterien, die ein Album erfüllen muss, um nach einer gewissen Zeit rückblickend als Meilenstein für ein gewisses Genre anerkannt werden zu können. So schafft es die Gruppe mit einer beeindruckenden Leichtigkeit, über die gesamte Spielzeit eine einzigartige Atmosphäre mit absolutem Wiedererkennungswert so aufzubauen, dass jeder einzelne Track, jede einzelne Passage nur diesem einen Album entstammen kann, aber dennoch genug Individualität wahrt, um als Song für sich genommen sowie im Kontext des Albums ein neues Erlebnis für den Hörer darzustellen und ihn auf seine ganz eigene Art und Weise zu bezaubern. So kohärent die elf Stücke auch sein mögen, entführen sie den Hörer doch in elf Welten. Jedes hat seinen eigenen, individuellen Charakter, lässt eigene Bilder im Kopf des Traumreisenden entstehen und doch weisen sie gewisse Gemeinsamkeiten auf, die sie, Paralleluniversen gleich, auf geheimnisvolle Art verbindet. Ob doomig, noiselastig oder depressiv-düster: Mit klassischem Black Metal hat dies hier wenig bis nichts zu tun. Viel eher kann man von einer Weiterentwicklung sprechen, vielleicht sogar von einer Perfektion des Gedankens hinter der Idee „Black Metal“.
Schwere, grollendem Donner gleiche Riffs, ausgedehnte, post-apokalyptische Gitarrenmelodien, begleitet von oft auf das Nötigste reduziertem Schlagzeug, bauen eine bedrückende und doch zugleich befreiende, da faszinierende Kulisse auf, vor der Tom Gabriel Fischer mit allen auch nur erdenklichen Gesangstechniken behände agiert und den Hörer so gänzlich in seinen Bann zieht. Ob langgezogene verzweifelte Schreie, hoffnungslos verklärter Klargesang oder abgrundtief böses Fauchen – perfekt schmiegen sich die Vocals in die Stimmung der Songs und füllen die letzte, dafür ausgesparte Nische in der Klangwand. Spätestens wenn die klare Frauenstimme den weit ausgebreiteten Klangteppich betritt und sich auf ein Duett mit den dunklen männlichen Parts einlässt, ist klar, dass man es hier mit mehr als nur einer weiteren Veröffentlichung der legendären CELTIC FROST zu tun hat.
Jedoch wäre das gesamte Konzept der Platte hinfällig gewesen, hätte man nicht diesen Sound hinbekommen – scheint er doch, nun da man ihn einmal im Ohr hat, der einzig auch nur vorstellbare Klang zu sein, den diese Platte haben kann. Verantwortlich für dieses Meisterwerk räudiger Klarheit, roher Finesse zeichnet Peter Tägtgren, der zwar schon an unzähligen Platten unzähliger namhafter Bands Hand angelegt hat, dabei jedoch zumeist eher für bombastischen, klaren bis glatten Sound bekannt war. Und wie bei einigen seiner Projekte hat Tägtgren auch hier aktiv mitgewirkt und Gitarren zu einem Song beigetragen. Damit ist er allerdings nicht der einzige Gastmusiker auf dem Album: Auch Satyr (Satyricon) und Ravn (1349) haben mit einem kleinen Baustein zu diesem Meisterwerk beigetragen.
Und so entlässt „Monotheist“ den Hörer mit „Winter“ in der melancholischen, düsteren Stimmung, in die es ihn nun fast eine Stunde und zehn Minuten lang hineingeführt hat, in die Einsamkeit der Nacht. Erst nachdem die letzten Töne längst verklungen sind, beginnt die Verarbeitung des Gehörten – beeindruckt, überwältigt, aufgewühlt bewegt man die Hand langsam in Richtung Stereo-Anlagen-Fernbedienung, den Finger in Richtung „Play“-Taste und begibt sich erneut auf die Reise.
Wertung: 10 / 10