Review Captain Planet – Ein Ende

Quizfrage: Was haben CAPTAIN PLANET mit Radiohead und Beyoncé gemeinsam? Nein, nicht die Frisur: Sie haben ihre neuen Alben kurzfristig angekündigt und veröffentlicht. Während das Geraune um das vermutlich kurz bevorstehende Radiohead-Album allerdings schon seit Monaten zu vernehmen ist und „Lemonade“ von Beyoncé mehr oder weniger ein offenes Geheimnis war, haben die fünf Musiker aus Hamburg ohne vorangehende Informationen oder Tamtam plötzlich verkündet, dass ihr neues Album knapp drei Wochen später erscheinen wird. Knapp vier Jahre nach „Treibeis“ steht nun also „Ein Ende“, das vierte Album der Hamburger Indiepunks, in den Regalen. Die schlechte Nachricht: Alle, die mit den leidenschaftlichen, rastlosen und melodieverliebten Punksongs von CAPTAIN PLANET bisher nichts anfangen konnten, werden vermutlich auch dieses Mal nicht damit warm werden. Die gute Nachricht: „Ein Ende“ stellt ein weiteres Highlight in der herausragenden Diskographie der Band dar, das den bisherigen Stil beibehält und mit komplexerem Songwriting begeistern kann.

Wer dachte, dass „Pyro“ vom Vorgängeralbum „Treibeis“ die ultimative CAPTAIN-PLANET-Hymne darstellt, wird mit dem Abschlusssong „Vom Ende an“ eines besseren belehrt, da es hier einfach alles gibt, was CAPTAIN PLANET ausmacht: eine treibende Gitarrenmelodie, der sehnsüchtige, rastlose Gesang von Jan Arne von Twistern und einer dieser unfassbar mitreißenden, leidenschaftlichen und in jeder Hinsicht begeisternden Refrains, der mit „Weiter! Bis die Stimme aufgibt, bis alles zerfällt!“ eine dieser CAPTAIN-PLANET-Textzeilen enthält, die man bis zur Heiserkeit und mit in die Luft gereckter Faust einfach mitschreien muss. Der Rest auf „Ein Ende“? Verfährt nach gleichem Muster und ist dabei ähnlich perfekt.

Es ist schwer zu sagen, wo man neben diesem Ende nun anfangen soll, „Ein Ende“ und CAPTAIN PLANET zu feiern: Beim minimalistischen Gitarreneinzählen des Openers „St. Peter“, beim Halftime-Refrain von „Irgendwas“, der vor Leidenschaft fast zu platzen droht, beim verzweifelten „Alles dazwischen, alles vernarbt“-Finale des straighten „Ketten“? Bei der deutlich besseren und klareren Produktion, die die Gitarren scheppern, das Schlagzeug rasen und Jan Arnes Stimme so energisch und treibend wie eh und je klingen lässt? Bei den persönlichen, melancholischen, direkten, poetischen und metaphernreichen Texten, die dennoch niemals resignieren und danach schreien, auf Unterarmen verewigt zu werden? Beim etwas verkopfteren Songwriting, das CAPTAIN PLANET trotzdem nicht auf eingängige Gitarren- sowie Gesangsmelodien verzichten lässt und komplexe neben einfache Schlagzeugrhythmen stellt? Bei den zwei minimalen Dämpfern in Form von „Landung“, das nicht so recht zünden mag, oder dem zu generischem Refrain in „Schulterschluss“, das aber an anderen Stellen mit einprägsamen Gitarrenrhythmen aufwarten kann?

Genauso wie es keinen eindeutigen Anfang geben kann, gibt es auch kein eindeutiges Ende. Es gibt nur „Ein Ende“, und dieser vierte Streich von CAPTAIN PLANET ist ein fabelhafter geworden. Dass es ein paar Momente gibt, die nicht restlos begeistern können, ohne dabei allerdings schlecht zu sein, zeigt das hohe Niveau auf, auf dem CAPTAIN PLANET sich bewegen. Mehr als eine halbe Stunde braucht es nicht, um alles zu erzählen und die rastlose Stimmung perfekt umzusetzen und mehr Sehnsucht und Leidenschaft in hochmelodische Dreiminüter zu packen, als dies anderen Bands in ihrer gesamten Karriere gelingt. „Ein Ende“, aber nicht das Ende: „Weiter, bis die Lunge aufgibt.“ Und immer wieder von vorn.

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Wertung: 9 / 10

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