Nach Jahren voller Streitereien zwischen Ex-Sänger Messiah Marcolin, der mit seinem divenhaften Verhalten den Rest von CANDLEMASS zur Weißglut trieb, hatte Bandleader Leif Edling 2006 endgültig die Schnauze voll und schmiss den Störenfried ein für alle Mal aus der Band. Die stimmgewaltige Diva zu ersetzen, schien in den Augen vieler Fans ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, doch als Solitude Aeturnus’ Sänger Robert Lowe als neuer Mann hinter dem Mikrophon bekannt gegeben wurde, beruhigten sich die meisten Gemüter, gilt der Amerikaner doch als einer der besten und ausdrucksstärksten Metalsänger unserer Zeit. Jetzt galt es nur mehr den musikalischen Beweis zu liefern, dass man auch gut ohne den Frontmönch auskommt und das ist, soviel kann ich schon verraten, mehr als gelungen.
„King Of The Grey Islands“ umfasst ein Konzept, das sich mit einer fiktiven, depressiven Person auseinandersetzt, die sich in unserer modernen Gesellschaft zu Recht finden muss. Das Schicksal dieses Menschen ist in einzelne Abschnitte bzw. Songs eingeteilt und endet tragischerweise (oder soll ich es „Doom-typisch“ nennen?) mit dem Selbstmord dieser Person. Um dieses Konzept glaubhaft an den Fan zu bringen, muss der Sound natürlich dementsprechend düster und heavy sein, was konsequent umgesetzt wurde. Nicht nur dadurch hebt sich „King Of The Grey Islands“ deutlich vom direkten Vorgänger ab, sondern auch in Sachen Komplexität ist man 2005er Werk überlegen. Jeder einzelne der zehn regulären Songs zieht tonnenschwer am Ohr des Hörers vorbei, dennoch schaffen es die Altmeister von CANDLEMASS, dass sich ganze Abschnitte ins Ohr einnisten, man die Augen schließt und die zähen und dennoch majestätischen Riffs auf sich einwirken lässt. „Emperor Of The Void“, „Devil Seed“ oder das geniale „Of Stars and Smoke” fahren durchwegs mit unverwechselbaren Refrains und Melodien auf, die mir ein teuflisches Grinsen ins Gesicht treiben. Was CANDLEMASS von vielen Doom Bands abhebt, ist, dass sie die Fähigkeit besitzen, die Songs mit Soli aufzulockern, ihr technisches Können zu zeigen, der Atmosphäre dennoch nicht zu schaden und niemals Langeweile aufkommen zu lassen. Fast jedes Lied enthält ein solches Solo, das unverkennbar für eben diesen Song steht. Für das klare und harte Mixing ist niemand geringerer als Peter Tägtgren zuständig, der aber bei solch guter Leistung wenig falsch machen konnte.
Wer war eigentlich noch mal dieser Messiah? Spätestens beim göttlichen „Clearsight“ fragt kein Mensch mehr nach der Vergangenheit, sondern man will sich einfach nur mehr vor dem fetten Riffing verbeugen und sich der düsteren Atmosphäre hingeben. Robert Lowe ist der erwartete Goldgriff und veredelt mit seiner unverwechselbaren Dringlichkeit im Gesang jede Gesangspassage und jeden Refrain. „King Of The Grey Islands“ ist ein Meisterwerk der späteren Bandgeschichte geworden. Es gibt keinen Ausfall, deswegen kann und sollte das Album in einem Stück genossen werden. Für mich stellt das neuste CANDLEMASS Album bereits jetzt ein Highlight des Jahres dar.
Die limitierte Digi-Pak Version enthält zusätzlich noch die beiden Band-Klassiker „At The Gallows End“ und „Solitude“, die von Robert Lowe eingesungen wurden und nochmals unterstreichen, dass der Amerikaner die richtige Entscheidung für den Posten hinter dem Mikrophon war.
Wertung: 9.5 / 10