CALIGULA’S HORSE gehören wie Leprous, Haken und Tesseract zur neuen Generation progressiver Metalbands, die mal mehr, mal weniger dem Djent fröhnen. Hierzulande sind die Australier noch nicht so populär wie ihre Genre-Kollegen, obwohl sie mit ihren letzten Platten „In Contact“ (2017) und „Rise Radiant“ (2020) zwei superbe Longplayer vorweisen können. Das letzte Album erschien mitten in der Pandemie – mehr gibt es nicht zu sagen. Insofern muss jetzt „Charcoal Grace“, ihr sechstes Studiowerk, den Job machen und klarstellen, dass CALIGULA’S HORSE zur Speerspitze der Prog- und Djent-Szene gehören.
Schon der zehnminütige Opener „The World Breathes With Me“ nimmt direkt Bezug auf die Corona-Zeit. Gleich zu Beginn gelingt dem Quartett ein eindrucksvolles Statement, das dem wunderbaren Songtitel Rechnung trägt – vom gefühlvollen Einstieg über die hymnischen Melodien bis zu den harten Frickelparts passt hier alles perfekt zusammen. Echte Fanbedienung und gleichermaßen ein super Türöffner für den Erstkontakt mit der Band.
Stilistisch haben CALIGULA’S HORSE ihren Platz längst gefunden – sie spielen melodiebetonten Progmetal mit leichter Alternative-Schlagseite; weniger exzentrisch als Leprous, wärmer und weniger verkopft als Haken, kompakter und nicht so synthetisch wie Tesseract.
Im Vergleich zum Vorgänger fällt auf, dass „Charcoal Grace“ auf deutliche längere Songs setzt. Mit dem Opener, der titelgebenden, 24-minütigen Suite und dem abschließenden „Mute“ versammeln sich hier gleich drei Longtracks. Das gab’s bei den Jungs aus Brisbane so noch nie. Damit einher geht, dass sich die Scheibe als Ganzes deutlich langsamer erschließt als das mit Ohrwürmern gesegnete, sehr kompakt angelegte „Rise Radiant“. CALIGULA’S HORSE setzen anno 2024 deutlich weniger auf den schnellen Hit-Effekt, der es so einfach machte, ihre letzte Platte zu lieben. Die Musik auf „Charcoal Grace“ trägt auch nicht so dick auf, sowohl in Bezug auf begleitende Streicher als auch auf den hymnischen, nach wie vor sehr ausdrucksstarken Gesang von Jim Grey.
Im Gegensatz zu vielen ihrer Genre-Kollegen haben die Australier keinen festen Keyboarder. Die Musik funktioniert aber auch ohne übertriebene Keyboard-Fanfaren und quietschige Synthi-Soli wunderbar. Für gerade recht angesagte 80er-Sounds und Synthwave-Ausflüge interessieren sich die vier Herren demzufolge ebenso wenig. Gut so, sie malen schon zauberhafte Klanglandschaften mit ihren Gitarren.
Aufgrund seiner Struktur will „Charcoal Grace“ am Stück gehört werden. Es funktioniert als Album, weniger durch einzelne Songs. In den ersten Durchgängen liegt es deshalb deutlich hinter „In Contact“ und „Rise Radiant“ – doch mit jeder weiteren Rotation im Player kann es aufholen. Die Zeit wird zeigen, welche Schätze die Scheibe noch bereithält und ob sie es schafft, CALIGULA’S HORSE endlich einer breiteren Masse bekannt zu machen. Bis dahin bleibt „Rise Radiant“ ihre Einstiegsdroge und „In Contact“ ihr buntester Blumenstrauß.
Wertung: 8 / 10
Caligula´s Horse sind sicher nicht die Sperrspitze, sondern höchstens die Speerspitze! ;) Aber auch darüber darf man geteilter Meinung sein
Mit beidem hast du natürlich Recht – der Fehler ist korrigiert, deine Meinung lassen wir dir natürlich ;)
Vielen Dank, da hat sich der Fehlerteufel eingeschlichen, den Moritz ja bereits vertrieben hat. ;) Ich für meinen Teil fand die beiden Vorgänger echt saustark. Ich bin aber immer an spannenden Neuentdeckungen interessiert, gerade auch im Djent-Bereich, wo für mein Ohr viele Bands gleichförmig und ähnlich klingen. Daher ernst gemeinte Frage: Was kannst Du da empfehlen?
Zu allererst empfehle ich allen Aufgeschlossenen einen Besuch beim Euroblast Festival in Köln Ende September; hier gibt sich die Creme de la creme der modernen progressiven, gerne auch djentigen Bands die Klinke in die Hand!
Ich mag C‘s Horse auch gerne, aber die letzten Alben von Periphery, TesseracT und Unprocessed nehmen mich durch komplexe(re) Rhythmen mehr mit 😉 Beim Euroblast sind es dann auch die (bis dahin) unbekannten Bands, die nachhaltig hängen bleiben…