BÜLENT CEYLAN ist in Sachen Metal kein unbeschriebenes Blatt: Der Comedian eröffnete seine Shows in der Vergangenheit gerne mit Musik von Rammstein und ließ dazu seine wallende Mähne kreisen. Selbst auf dem Wacken Open Air war er bereits auf der Bühne zu sehen, auch 2024 wird er dort wieder auftreten. Insofern überrascht es nicht, dass nun im Vorfeld mit „Ich liebe Menschen“ das erste Metal-Album des Mannheimers erschienen ist. Leider verlieren sich ein paar witzige Ideen in einem gefälligen Einheitsbrei, garniert mit lyrischen Ergüssen aus den unteren Schubladen und fein abgeschmeckt mit einer zu glatten Produktion.
Was mit dem Titeltrack „Ich liebe Menschen“ einigermaßen witzig und vielversprechend beginnt, scheitert schnell daran, in zwölf (bemerkenswert kurzen) Songs zu viel zu wollen und gleichzeitig zu wenig zu bieten: Von Fremdenhass über Anonymität/Hass im Internet und eine Ode an das Gemeinschaftsgefühl bis hin zur den beinahe obligatorischen, persönlichen Momenten erstreckt sich die thematische Bandbreite. Dabei könnte weniger wie so oft mehr sein: Das simpel gestrickte „Booom“ erinnert an die Erfolgsformel von Electric Callboy, geht gut ins Ohr und erfüllt seinen Zweck, wenngleich es letztlich auch etwas handzahm geraten ist. Mit „Yallah Hopp“ wird es dann bei Textstellen wie „Ich hab hart Bock / auf Hard Rock“ schon etwas schwieriger, unter dem Strich aber immer noch unterhaltsam. Beim schmalzigen „Brüder“ ist die Schmerzgrenze erstmals deutlich überschritten: Gesanglich liegt dies überraschenderweise weniger an CEYLAN, der seinen Teil mehr als ordentlich macht, sondern viel mehr an seinem Duettpartner Alea von Saltatio Mortis, der unter anderem mit seinem inbrünstigen „Brüdah“ arg aufs Trommelfell drückt. Wirklich gut passen die beiden Stimmen auch nicht zusammen und die Botschaft nach Schema F mag mainstreamkonform sein, lässt aber musikalisch und textlich jede Besonderheit vermissen. Gleiches gilt in der zweiten Albumhälfte für das bedeutungsschwangere „Rüstung aus Hass“, das in dieser Form auch auf einem neuen Saltatio-Mortis-Album seinen Platz finden könnte.
„Schmutzige Liebe“ und „Wenn Metaller traurig sind“ gehen gut ins Ohr und sind von der Idee zumindest charmant, bei Reimen wie „Schmutzige Liebe / Dreck im Getriebe“ oder „Nackenschmerzen“ auf „Friedhofskerzen“ allerdings dürften lyrisch auch nur ansatzweise affine Konsumenten dem allgegenwärtigen Reimemonster am liebsten den Schädel abreißen wollen. Mit „Klopf Klopf“ nähert sich BÜLENT CEYLAN dann Bands wie Oomph an, geht allerdings ähnlich wie in „Booom“ den letzten Schritt nicht konsequent genug und flüchtet sich lyrisch in Plattitüden, sodass am Ende wieder etwas fehlt, um eben zu „Ich liebe Menschen“ und nicht den offenkundigen Einflüssen zu greifen. Einen kleinen Pluspunkt sammelt das Album mit „Anders gleich“, das mit Peter Maffay als Gast und – anders als der Titel vermuten lässt – durch seine Härte überrascht, jedoch auch nicht wirklich hängen bleibt.
Dass sich BÜLENT CEYLAN am Ende mit zwei Balladen einerseits an seine im Ausland wohnende, älteste Tochter und andererseits an seine Frau richtet, ist eine schöne Geste. Leider klingt besonders „Engel landen weich“ sehr wie Christina Stürmers „Engel fliegen einsam“ und gerade als doppelter Rausschmeißer nehmen die beiden Songs zu viel Raum ein, ohne wirklich für die ganz großen Emotionen zu sorgen. Dafür ist BÜLENT CEYLAN dann doch zu sehr Comedian und zu wenig der große Sänger mit Gänsehaut-Vibrato. Außerdem sind Aufbau, Songwriting und Ausgestaltung gerade bei den beiden Balladen in dieser Form bereits zu oft dagewesen. So konnte auch Ex-Unheilig-Mastermind Henning Verlage als Produzent insgesamt nicht viel aus „Ich liebe Menschen“ herausholen: Das Album ist maximal radiotauglich und für die Gen Z teils tiktokfreundlich – das war’s dann aber auch.
Am Ende fällt es vielleicht sogar einfacher, die Menschen im Allgemeinen als dieses Album im Speziellen zu lieben. Dank der massentauglichen Produktion, zahlreichen Analogien aus der Rubrik „Klingt wie“ und einigen (im Kern unterstützenswerten) Plattitüden in den Texten wird „Ich liebe Menschen“ – allein wegen BÜLENT CEYLAN – seine Hörer finden. Der Comedian auf Abwegen überzeugt durch seine insgesamt wohltuend offene, oft positiv-charmante Art des Musikmachens und die spürbare Hingabe. Aber genau wie viele Bürger dieses Planeten scheitert sein erstes Album letztlich an vielen Makeln, Schwächen und Unzulänglichkeiten.
Wertung: 3.5 / 10
Morjen morjen Sigi,
ist keineswegs so, daß ich das rauf und runterhöre oder es mich aus den Latschen haut – ich komme auch von der Musik aus einem anderen Gebiet angeschwommen – und lieb mehr klassischen Heavy Metal ala Iron Maiden oder Power Metal ala Primal Fear oder Prog Metal ala Threshold und Dream Theater – oder die ganz abefahrenen für mich nicht wirklich einordenbaren Sachen wie Ahab, oder auch die episch kommerziellen Nightwish………..
Das ist nun nicht nur musikalisch anders geartet – das ist auch ganz anders durchproduziert……..
Da ich viel selber recordete, masterte, komponierte usw. und auch Beschallung machte …..
und in vielen Genres unterwegs war von Hard Rock, Melodic Metal, Thrash Metal, Epic Metal, Prog Rock, AOR bis hin zu Schlager, Deutschrock und Jazz – komme ich halt aus meiner Beobachtung zu dem Schluß, daß die Bülan Kiste durchweg professionell gemacht und genau aufs Zielpublikum zugeschnitten ist.
Das was wir da als Problem mit haben – wohl nicht unsere Art von Mucke und kein eigenes Gesicht –
ist bei letzterem leider bei unzähligen Bands der Fall.
So klingen alleine gefühlt 1000 Bands wie Iron Maiden – was Null innovativ ist – aber mir in vielen Fällen dennoch saugut gefällt………..es wird heute halt viel abgekupfert, da es immer schwerer ist, noch was Neues zu machen, was es nicht schon zigmal gibt.
Viele Band kopieren sich auch nur noch selbst und reiten drauf weiter – wie beispielsweise Iron Maiden – da kannst du richtig den Baukasten sehen, wie neue Songs aus alten Riffs und Bridges zusammengetackert werden, aber heh, klingt immer noch geil.
Da vergibt man dann auch keine 3 oder 4 mit dem Hinweis, das ist same procedere as every year.
Wenn man das in den Reviews so hart berücksichtigen würde wie bei Bülan – kämen nur noch sehr wenige Bands über eine 6 obwohl handwerklich alles perfekt ist und vom Sound evtl. obendrein dito.
Reviewer – ein extrem schwieriger Job – und ich kenne mich, bei manchen Sachen geht mir auch erstmal der Hut hoch und brauch ich Abstand, bis es mir dann gefällt. Weil ich erstmal enttäuscht bin, daß same game as ever und die ganz sichere Bank………
Ich wünsch dir nen schönen Tag !
Na ja,
ich hab 3 Jahrzehnte selber Musik gemacht – viele Schwächen sehe ich hier nicht – das ist 1 A produziert und der Bülan kann wirklich singen.
Peter Maffay hätte nie mitgemacht – wenn das nicht Hand und Fuß hätte.
Problem sehe ich bei der Innovation – es klingt halt wie Rammstein und einige andere Bands –
mir fehlt das eigene Gesicht.
Ich finde es gut – auch wenn es eigentlich nicht mein Geschmack ist – und werds gerne hie und da mal laufen lassen.
Bei mir wäre das eine 6/10 von meinem Geschmack her – rein objektiv und vom Handwerk mindestens eine 8/10.
Hallo Werner,
vielen Dank für deinen Kommentar. Zugegebenermaßen hat mir das Album anfangs auch besser gefallen. Natürlich sind Wertungen immer subjektiv und gerade das, wie du es nennst, „eigene Gesicht“ hat mich auf Dauer mehr gestört als dich. Die Qualität der Produktion ist auch nicht das, was ich der Scheibe ankreide, sondern eher die Art. Eine 6 von 10 könnte ich mir u.U. noch vorstellen, eine 8 sehe ich aber basierend auf unserem Wertungssystem in keinem Fall. Dir in jedem Fall noch viel Freude damit!