Review Bossk – Migration

Spätestens seit dem 2016er Longplayer „Audio Noir“ dürften BOSSK dem geneigten Post-Metal-Fan ein Begriff sein – war das erste Album der Briten seit der offiziellen Auflösung 2008 ohne Frage eins der Genrehighlights des Jahres, was mit einer vollständigen Performance der Platte auf dem Roadburn Festival 2019 angemessen honoriert wurde. Große Fußstapfen für den Nachfolger „Migration“, der nun nach fünf Jahren endlich auf die Welt losgelassen wird. Bleibt die Frage, ob die hohen Erwartungen erfüllt werden können.

Was „Audio Noir“ zum bisherigen Höhepunkt in der Diskografie von BOSSK macht, ist zum nicht unwesentlichen Teil der Einfluss von Produzent Martin Ruffin, der sich auch für viele der elektronischen Elemente verantwortlich zeigte, die für die einzigartige Atmosphäre des Albums sorgen – und Ordnung in das kaum eingespielte Bandgefüge brachte. „Migration“ setzt diesen Weg konsequent fort: Abermals von Ruffin produziert, nehmen Synthesizer sowie Soundcollagen der japanischen Noise-Künstler Etsuo Nagura und Taro Alko auch hier eine Hauptrolle in Sachen Sounddesign ein. Was nicht bedeutet, dass man lange nach den genretypischen Gitarrenriffwalzen suchen muss.

Der Opener „White Stork“ könnte zugegebenermaßen auch auf einer Massive-Attack– oder sogar Nine-Inch-Nails-Platte zu finden sein: Verhallte Gitarrenlicks, atmosphärische Synthesizerflächen, Piano und ein relaxter, rein elektronischer Beat münden in eine brachiale Distortionwolke, an der Trent Reznor (Nine Inch Nails) seine Freude hätte. Überraschend großes Kino! Spätestens beim zweiten Track ist die BOSSK-Welt wieder in Ordnung: „Menhir“, übrigens mit Cult Of Lunas Johannes Persson am Mikrofon, ist ein Post-Metal-Brecher erster Klasse und bietet alles, was man von dieser Kombination erwartet.

„HTV-3“ vereinigt dann das Beste aus beiden Welten: Elektronik und (ebenfalls neu) Cleangesang von Josh Mckeown zu Beginn, hart groovendes Metalbrett ab der Songmitte, melodische Gitarrenteppiche gegen Songende – fantastisch, da sollte doch für jeden etwas dabei sein. Dass das fast zehn Minuten lange „Lira“ dann insgesamt wesentlich gitarrenlastiger ist, bestätigt den bisher positiven Gesamteindruck von „Migration“ auf jeden Fall, während das atmosphärische „Unberth“ das Album perfekt abschließt. Einziger Wermutstropfen: die mit rund 41 Minuten gefühlt viel zu knappe Laufzeit der neuen BOSSK-Platte.

War bei „Audio Noir“ noch das erklärte Ziel, ein möglichst ineinanderfließendes Album, eine Art zusammenhängende musikalische Reise zu erschaffen, zeigt sich „Migration“ wesentlich vielschichtiger und abwechslungsreicher – ohne dabei inkonsistent zu wirken. Der Soundtrackcharakter ist nach wie vor gegeben, aber die Songs kommen facettenreicher daher und funktionieren auch außerhalb des Albumkontexts für sich alleine ausgezeichnet.

So haben BOSSK (übrigens nach einem Alienkopfgeldjäger aus den Star-Wars-Filmen benannt) das Kunststück vollbracht, ein hervorragendes neues Album zu schreiben, welches sich aufgrund des sehr anderen Aufbaus nur bedingt mit dem Vorgänger vergleichen lässt. Aber auch losgelöst von diesem Aspekt hat „Migration“ das Potential, eine der besten Post-Metal-Platten des Jahres zu werden – und ist gleichzeitig ein gutes Methadon für Isis-Fans. Und wer etwas für Cult Of Luna, Neurosis und Konsorten übrig hat, sollte sowieso ein Ohr riskieren.

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Wertung: 9.5 / 10

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